Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
angenehmer, wenn er das ist. Seine Überzeugung, dass derjenige, der mehr Informationen, größere Kenntnisse oder Fähigkeiten hat, überlegen ist, zeigt sich in seiner Art zu sprechen. Und wenn es manchmal so scheint, als würden Männer absichtlich schwer verständliche Erklärungen geben, so vielleicht deshalb, weil das angenehme Gefühl, mehr zu wissen als die anderen, verstärkt wird, wenn der Schüler sie nicht versteht. Der behagliche Spielraum der Überlegenheit schrumpft mit jedem kleinen Wissensgebiet, das der Schüler sich aneignet, zusammen. Oder vielleicht ist es einfach so, dass Männer mehr damit beschäftigt sind, ihre überlegenen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Schau zu stellen, als sich anderen verständlich zu machen.
Ein Kollege, der mit meinen Ideen vertraut ist, berichtete mir, dass er diese Unterschiede bei einer wissenschaftlichen Tagung bestätigt gefunden habe. Eine Vortragsrednerin hatte sich dauernd selbst unterbrochen und die Zuhörer gefragt: »Haben Sie mich so weit verstanden?« Mein Kollege meinte, dass es der Frau offenbar vor allem darum gegangen sei, vom Publikum verstanden zu werden. Als er seinen Vortrag gehalten habe, sei er vor allem daran interessiert gewesen, nicht kritisiert zu werden – und soweit er es beurteilen könne, seien die anderen männlichen Vortragenden von demselben Gedanken beherrscht gewesen. Von dieser Warte aus ist es kein zu hoher Preis, sich unverständlich auszudrücken, wenn man die anderen dadurch in die Irre führen und einen Angriff verhindern kann.
Das heißt nicht, dass Frauen nicht das Bedürfnis hätten, sich klug oder mächtig zu fühlen. Auch die Frage, ob die anderen noch in der Lage sind, der Argumentation zu folgen, könnte durchaus als Versuch verstanden werden, sich als überlegen einzurahmen. Aber es scheint, dass der Besitz von überlegenen Informationen, Fachkenntnissen oder Fähigkeiten für Frauen kein primäres Machtkriterium ist. Sie haben eher das Gefühl, dass ihre Macht vergrößert wird, wenn sie anderen helfen können. Und wenn darüber hinaus Frauen auf Zugehörigkeit statt auf Unabhängigkeit und Selbstvertrauen konzentriert sind, gibt ihnen eine starke Gemeinschaft das Gefühl, selbst stärker zu sein.
»Vertrau mir«
Eine Frau erzählte mir, wie fassungslos sie gewesen sei, als ihr Mann einen Vorfall ausgrub, der Jahre zurücklag, um ihr deswegen Vorhaltungen zu machen. Ihr war es damals nicht gelungen, den Videorecorder auf einen bestimmten Kanal einzustellen. Ihr Mann hatte sich das Gerät angesehen und erklärt, dass es für diesen Zweck nicht ausgerüstet sei. Statt sein Urteil zu akzeptieren, hatte sie ihren Nachbarn Harry gebeten, noch einmal einen Blick darauf zu werfen, weil er den Recorder in der Vergangenheit schon einmal repariert hatte. Harry kam zu demselben Schluss wie ihr Mann, der jedoch vor Wut schäumte, weil die Frau seinem Sachverstand nicht vertraut hatte. Als er den Vorfall Jahre später wieder auf den Tisch brachte, rief seine Frau ungläubig aus: »Das ärgert dich immer noch? Harry ist tot!« Der Vorfall, wenn auch unbedeutend für die Frau, traf den Kern seines männlichen Selbstwertgefühls, weil sein technisches Können in Frage gestellt wurde.
Um das Vertrauen in die Fertigkeiten eines Mannes geht es auch zwischen Felicia und Stan, einem anderen Ehepaar. Stan ist wütend, weil Felicia immer ängstlich vor sich hin stöhnt, wenn er Auto fährt. »Ich habe noch nie einen Unfall gehabt!«, protestiert er. »Warum hast du kein Vertrauen in meine Fahrweise?« Felicia kann ihm ihren Standpunkt nicht verständlich machen – sie misstraut nicht seiner speziellen Fahrweise, sondern hat Angst vorm Autofahren im Allgemeinen. Vor allem kann sie nicht verstehen, warum die unbedeutende Tatsache, dass sie manchmal unwillkürlich nach Luft schnappt, eine derart heftige Reaktion auslösen sollte.
»Sei nett«
Sachverstand und Erfahrung stärken sowohl das männliche wie auch das weibliche Selbstbewusstsein. Doch wir verbinden die Rolle des Experten eher mit Männern als mit Frauen. Von Frauen wird gemeinhin behauptet, dass sie lieber Lob als Informationen verteilen. Diese konventionelle Erwartung zeigte sich auf einem Plakat, das in jedem Postamt der Vereinigten Staaten ausgehängt wurde und das die Kunden aufforderte, Kritik, Anregungen, Fragen und Zustimmung zu äußern. Drei dieser vier sprachlichen Vorgänge wurden durch Männerabbildungen versinnbildlicht; nur für das Lob wurde eine Frau
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