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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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gewählt, die Abbildung zeigte sie freundlich lächelnd, mit einer beifälligen Handbewegung und einem Heiligenschein über dem Kopf. Der Heiligenschein ist dabei besonders interessant. Er macht deutlich, dass ein Sprecher sich einen »netten« Rahmen gibt, wenn er Lob verteilt.
    Wie die Weitergabe von Informationen enthält auch das Austeilen von Lob eine prinzipielle Asymmetrie. Auch Lob rahmt den Sprecher als überlegen ein, als jemanden, der in der Lage ist, das Verhalten eines anderen beurteilen zu können. Frauen können in ihren klassischen Helferrollen als Mütter, Sozialarbeiterinnen, Krankenschwestern, Beraterinnen und Psychologinnen ebenfalls als überlegen eingerahmt werden. Aber in vielen dieser Rollen – vor allem als Mutter und Krankenschwester – entsteht auch leicht der Eindruck, dass sie die Anweisungen anderer befolgen.

Motivüberschneidungen
    Männer und Frauen verfolgen im Allgemeinen andere Ziele mit dem Helfen. Doch sogar wenn man dasselbe Ziel verfolgt, kann man unterschiedlich vorgehen, um dieses Ziel zu erreichen, was leicht dazu führt, dass man die Motive anderer falsch einschätzt. Der Ausgang meiner Fotoapparat-Geschichte unterstreicht das. Bei einem Familientreffen gab ich den Apparat meinem Schwager, der in unserer Familie für seine technische Begabung bekannt ist. Er nahm ihn mit in seine Werkstatt und kehrte eineinhalb Stunden später mit einer reparierten Kamera zurück. Erfreut und dankbar machte ich meiner Nichte gegenüber die Bemerkung: »Ich wusste, er würde die Herausforderung genießen.«
    »Vor allem«, betonte sie, »wenn er damit jemandem helfen kann.« Ich hatte ihm offenbar zu Unrecht unterstellt, dass er ausschließlich an der kniffligen Technik meines Batterieverschlusses interessiert war. Stattdessen hatte er mit der Reparatur des Fotoapparats auf seine Art gezeigt, dass er Anteil nahm und helfen wollte. Im Gegensatz zu einer Frau, die ihre Hilfe vielleicht direkt angeboten hätte, übermittelte mein Schwager mir ein indirektes Hilfsangebot über die Kamera.
    Ein Kollege, der meine Version dieses Erlebnisses hörte, meinte, dass ich einen wichtigen Aspekt der Kaputte-Kamera-Episode übersehen hätte. Seiner Ansicht nach haben viele Männer so viel Spaß am Reparieren, weil es ihnen ihre Unabhängigkeit bestätigt und weil es sie in dem Gefühl bestärkt, die Situation unter Kontrolle zu haben und die Welt der Objekte zu beherrschen. (Das entspricht im Kern der These von Evelyn Fox Keller; sie vertritt die Meinung, dass ein Wissenschaftsverständnis, bei dem es darum geht, die Natur zu beherrschen und zu kontrollieren, männlich geprägt ist.) Mein Kollege erzählte mir dann, wie er einmal ein Spielzeugkarussell für seinen kleinen Sohn bestellt hatte, das durch den Transport auseinandergebrochen und völlig kaputt bei ihm eingetroffen war. Seine Frau gab das Spielzeug ihrem Onkel, der in der Familie als äußerst hilfsbereit und als großer Bastler galt. Der Onkel arbeitete mehrere Stunden, um das Spielzeug zu reparieren – obwohl es wahrscheinlich nicht mehr wert war als ein paar Dollar. Als sie das nächste Mal mit dem Onkel zusammentrafen, kam er noch einmal auf den Vorfall zurück und sagte, dass er lieber die ganze Nacht geopfert hätte, als zuzugeben, dass er es nicht reparieren könnte. Mein Kollege war überzeugt, dass der Wunsch, dieses Plastikobjekt zu beherrschen, stärker gewogen hatte als der Wunsch, der Schwester und dem Neffen zu helfen, obwohl beide Motive bestimmt vorhanden gewesen sind.
    Außerdem wies dieser Mann darauf hin, dass er und viele andere Männer es ganz besonders genießen würden, wenn sie ihre Macht über die Welt der Objekte in den Dienst attraktiver Frauen stellen könnten; der Dank und die Bewunderung, die sie dafür ernteten, seien eine zusätzliche Freude und Genugtuung. Seine Interpretation meiner revidierten Deutung lautete, dass meine Nichte und ich, zwei Frauen also, dazu tendieren würden, den helfenden Aspekt einer Handlung als »wahres« oder hauptsächliches Motiv zu sehen. Er dagegen glaube nach wie vor, dass mein Schwager vor allem seine Fähigkeiten beweisen und Erfolg haben wollte, wo der Fotoexperte gescheitert war, als er den widerspenstigen Batteriedeckel zur Ordnung zwang.
    Viele Männer demonstrieren ihr Wissen und ihre Geschicklichkeit, um Status zu gewinnen. Doch das Statuselement hebt den Bindungsaspekt des Helfens nicht auf. Die Elemente bestehen nebeneinander und beeinflussen sich gegenseitig. Doch

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