Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Wirtschaftsteils der New York Times – der nüchternsten Rubrik der nüchternsten aller amerikanischen Zeitungen. In seinem Bericht über Atchison, einen Kontrollbeamten, der Sicherheitsverletzungen in einem Atomkraftwerk offenlegte, gibt der Reporter seinen subjektiven Eindruck von dem »Denunzianten« wieder: wie er aussah, wie sein Haus aussah – Einzelheiten, die den Leser betroffen machen.
Dem Kolumnisten Bob Greene zufolge haben die Journalisten begonnen, ihr Interesse derart weltlichen Einzelheiten zuzuwenden, als Jimmy Breslin 1963 eine Kolumne mit dem Titel: »Tod in Raum eins der Notaufnahme« schrieb; Breslin schilderte die letzten Minuten im Leben John F. Kennedys. Greene meint, Breslins Kolumne habe »die Leser an jenem Tag buchstäblich in die Korridore und Operationssäle des Parkland-Hospitals geführt«. Dazu Greene: »Heute werden die Journalisten darauf trainiert, diese wirkungsvollen Details schnell herauszubekommen …« Dieselbe Art von Journalismus soll die Karriere des Kolumnisten Russel Baker begründet haben, dessen Reportage über Königin Elizabeths Krönung sich nicht auf die öffentlichen Feierlichkeiten, sondern auf Hintergrunddetails konzentrierte. Er beschrieb zum Beispiel – wie ein Kritiker anmerkte – »die endlosen Schlangen kolonialer Potentaten in Tierfellen und Goldgeschmeiden, die sich vor den Toiletten Westminster Abbeys bildeten«.
Warum sollten Leser das Gefühl haben wollen, in den Korridoren und Operationssälen des Krankenhauses zu sein, in dem Kennedy lag? Warum sollten sie an den Schlangen vor den Toiletten bei einer Krönung interessiert sein? Weil solche Details ein angenehmes Gefühl von Beteiligung und Zugehörigkeit vermitteln, sie erfüllen denselben Zweck wie der Klatsch von Frauen über private Details.
Erfreuliche Anteilnahme
Trotz der wachsenden Detailberücksichtigung in Nachrichtenbeiträgen ist die Nützlichkeit aussagekräftiger Details nicht allgemein anerkannt. Eine Frau erzählte mir, dass, wenn in ihrer Familie die Rede auf die Großmutter komme, alle immer einen typischen Satz der alten Frau zitierten: »Ich hatte ein bisschen Schinken, ich hatte ein bisschen Käse.« Diese liebevolle und doch abwertende Art der Bezugnahme zeigt, dass es den Familienangehörigen auf die Nerven geht, wenn die Großmutter ihnen erzählt, was sie zum Abendbrot hatte. Es wäre ihnen lieber, wenn sie weniger ins Detail gehen oder ganz auf die Beschreibung ihres Abendessens verzichten würde. Ref 46
Meine seit langem verwitwete Großtante hatte eine Liebesaffäre, als sie in den Siebzigern war. Korpulent, mit schütterem Haar, Hände und Beine arthritisch verkrümmt, entsprach sie nicht dem Bild einer romantisch angebeteten Geliebten. Aber sie wurde geliebt – von einem Mann, der auch in den Siebzigern war und in einem Altersheim lebte, aber gelegentlich übers Wochenende zu ihr kam. Um mir zu erklären, was diese Beziehung für sie bedeutete, erzählte meine Tante mir von einem Gespräch. Eines Abends war sie mit Freunden essen gegangen. Als sie nach Hause kam, rief ihr Freund an, und sie berichtete ihm von dem Essen. Er hörte ihr interessiert zu und fragte dann: »Was hast du angehabt?« Als sie mir davon erzählte, fing sie an zu weinen: »Weißt du, wie lange es her ist, dass jemand mich gefragt hat, was ich angehabt habe?«
Mit dieser Bemerkung gab meine Großtante mir zu verstehen, dass es Jahre her war, dass jemand wirklich tiefempfundenes – persönliches – Interesse an ihr genommen hatte. Der Austausch relativ unbedeutender alltäglicher Kleinigkeiten sendet Metamitteilungen von Verbundenheit und Fürsorge aus. Ref 47
Detailinteresse an einer bestimmten Person ist oft ein Zeichen von Verliebtheit. In einem Roman mit dem Titel Die Eifersüchtige von Celia Fremlin schickt eine Frau ihren Mann Geoffrey zu ihrer neuen Nachbarin, die gerade eingezogen ist, um sie zum Essen einzuladen. Geoffrey kehrt ganz aufgeregt zurück, übersprudelnd vor Begeisterung und allen möglichen Details über die neue Nachbarin. Mit strahlenden Augen verkündet er, dass die Nachbarin sie eingeladen habe, zum Essen in ihr noch leerstehendes Haus zu kommen; er fragt seine Frau, ob sie ein rotes Band für Shang Low, den Pekinesen der Nachbarin, hätte, wobei er ihr auseinandersetzt, dass Shang Low das Gegenteil von Shang High bedeute. Die Ehefrau reagiert spöttisch, aber Geoffrey stimmt nur zögernd ein, als seine Frau sich über die snobistische Idee der Nachbarin,
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