Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
nehme mir Donnerstag und Freitag frei, um auf die Jagd zu gehen, also werde ich wohl Samstagabend erst mal genug haben.
Maureen: Warum hast du das nicht gleich gesagt?
Philip: Ich weiß wirklich nicht, warum ich das hätte tun sollen. Und ich finde deine Fragerei ziemlich aufdringlich.
Maureen: Und ich finde deine Reaktion ziemlich verletzend!
Weil Philip keinen Grund dafür angab, warum er den Samstag vorzog, vermutete Maureen, dass er vielleicht Rücksicht auf ihre Wünsche nehmen wollte, so, wie sie es im umgekehrten Fall auch getan hätte – und tatsächlich gerade tat. Sie wollte ihn wissen lassen, dass es nicht nötig war, und fühlte sich verletzt, weil er so schroff reagierte. Philip dagegen hatte den Eindruck, dass er Rechenschaft darüber ablegen sollte, wie er seine Zeit verbrachte, als Maureen nach seinen Gründen fragte. Für ihn ist es klar, dass jeder sich für seine eigenen Interessen einsetzt, deshalb empfindet er es als aufdringlich, wenn Maureen in seinen Motiven herumstochert. Maureens Versuch, einen möglichen Interessenkonflikt zu vermeiden, war genau das, was den Konflikt auslöste.
Ein richtig schöner handfester Krach
Die grundsätzlich andere Haltung, was Konflikte angeht, zeigt sich in ganz gewöhnlichen Alltagsgesprächen. Gail hasst Streit. Wenn Norman wütend wird und rumschreit, ist sie tief beunruhigt. »Ich kann nicht mit dir reden, wenn du mich anbrüllst«, sagt sie. »Warum können wir nicht ganz vernünftig und wie erwachsene Leute miteinander reden?« Norman versteht das nicht. Mit jemandem streiten zu können ist für ihn ein Zeichen von Intimität. Die endlosen, monotonen Diskussionen, die Gail als Ausdruck von Intimität versteht, sind ihm dagegen ein Gräuel. Er findet diese Debatten einfach nur zermürbend. Aber nach einem handfesten Krach fühlt er sich richtig gut – ganz im Gegensatz zu Gail, bei der diese lautstarken Auseinandersetzungen ein Gefühl der Leere und Erschöpfung hinterlassen. Für Norman sind solche Streitereien eine Art ritueller Kampf, und er sieht darin einen Ausdruck von Verbundenheit, denn nur Leute, die sich wirklich nahestehen, streiten miteinander.
In vielen Kulturen wird das Streiten als spielerischer und positiver Ausdruck von Intimität betrachtet. Amerikaner, die sich in Griechenland aufhalten, glauben oft, Zeuge eines Streits zu sein, während sie in Wahrheit einer freundlichen Unterhaltung beiwohnen, bei der es nur hitziger zugeht als bei einem vergleichbaren Gespräch unter Amerikanern. Der Linguistin Deborah Schiffrin zufolge gilt freundliches Streiten bei in Philadelphia lebenden osteuropäischen Juden als Ausdruck der Geselligkeit, und zwar sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Die Linguistin Jane Frank hat Gespräche eines jüdischen Paares analysiert: Wenn die beiden sich in Gesellschaft befanden, vertraten sie häufig kontroverse Ansichten und zeigten sich streitlustig. Aber sie bekämpften sich nicht. Sie inszenierten eine Art sprachlichen Boxkampf mit Publikumsbeteiligung, bei dem die Sparringspartner auf derselben Seite kämpften.
Viele Griechen demonstrieren ihre Zuneigung, indem sie anderen Ratschläge geben. Eine Griechin, die in den USA studierte, überraschte und verärgerte ihre Zimmergenossinnen mit Fragen wie: »Warum lässt du die Kühlschranktür so lange offen?«, und: »Warum isst du so wenig? Du musst mehr essen!« In Griechenland waren solche Fragen unter Freundinnen nichts Ungewöhnliches und würden als Zeichen von Interesse und Anteilnahme verstanden werden. Aber Amerikaner halten solche Fragen für aufdringlich und fühlen sich kritisiert. Die amerikanischen Zimmergenossinnen reagierten darauf, indem sie die Griechin »Mom« nannten. Was als Ausdruck freundschaftlicher Fürsorge gemeint war, wurde als Statusdemonstration, als anmaßende Bemutterung aufgefasst.
Die Soziologen William Corsaro und Thomas Rizzo untersuchten Kinder im Alter zwischen zwei und vier Jahren in amerikanischen und italienischen Kindergärten. Sie fanden heraus, dass eine der Lieblingsbeschäftigungen der italienischen Kinder darin bestand, sich auf eine jener hitzigen Debatten einzulassen, die die Italiener discussione nennen, die in Amerika jedoch als handfester Streit gelten würden. Die Wissenschaftler geben ein Beispiel für ein typisches Gesprächsritual, das gewöhnlich mehrmals in der Woche durchgespielt wurde, wenn die Kinder sich eigentlich still mit ihren Filzstiften beschäftigen sollten: Ein Junge, Roberto, macht
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