Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Männerdomänen der Wirtschaft und Wissenschaft erfolgreich sind, nicht besonders wettbewerbsorientiert sind. Sie zeichnen sich vielmehr durch »berufliche Kompetenz« oder »Meisterschaft« aus. Sie machen ihre Arbeit einfach extrem gut.
Die Tendenz von Frauen, nach Übereinstimmung zu suchen, könnte im Management sogar ein Vorteil sein. Viele Leute sind der Meinung, dass Frauen bessere Manager abgeben, weil sie eher bereit sind, andere um Rat zu fragen und ihre Mitarbeiter in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen; und Angestellte, die das Gefühl haben, dass sie an der Einführung einer neuen Maßnahme beteiligt waren, sind zweifellos eher bereit, sie wirkungsvoll umzusetzen. Ein Mann beschrieb die kleine Firma seiner Frau als einen unkonventionellen Ort, wo die Angestellten seine Frau mit Vornamen anreden, keine Hemmungen haben, unangemeldet in ihr Büro zu kommen, und sich als Team und nicht als Untergebene fühlen. In seinem eigenen Geschäft dagegen redeten die Angestellten ihn mit »Mister« an, kämen nie unaufgefordert in sein Büro und wären – wie er meinte – weniger zufrieden mit ihrer Arbeit.
Obwohl es in manchen Fällen vorteilhafter sein kann, eine eher gemeinschaftliche als hierarchische Atmosphäre zu schaffen, haben Leute, die keine Konflikte scheuen, einen Vorteil in unzähligen und unvermeidlichen Situationen, wo andere ihren Willen durchsetzen wollen. Wer bereit ist, eine Szene zu machen, hat unter Umständen ein wirkungsvolles Machtmittel zur Verfügung. Im Folgenden ein banales, aber aufschlussreiches Beispiel dafür: Ref 85
Ein Konzert in einer großen Konzerthalle war nur spärlich besucht. Viele Leute saßen ganz hinten in den obersten Rängen, während in der Nähe der Bühne zahlreiche freie Plätze waren, deshalb rückten einige der Besucher nach vorne auf und suchten sich einen Platz im Parkett. Als die Menge sich gerade umsetzte und das Konzert begann, kam eine Platzanweiserin herein. Sie pickte sich ein Paar heraus, dessen Umzug sie beobachtet hatte, leuchtete den beiden mit ihrer Taschenlampe ins Gesicht und forderte sie auf, wieder zu ihren eigenen Plätzen zurückzukehren. Die Frau war bereit, der Aufforderung nachzukommen, der Mann jedoch brüllte die Platzanweiserin wütend an, die augenblicklich verschwand, weil das die einzige Möglichkeit war, die lautstarke Störung des Konzerts zu beenden.
In einem anderen Beispiel prahlte ein Handlungsreisender vor seinen Kollegen, welch mächtigen Einfluss er im Verkaufsstab habe. Wenn er bei einem Verkaufstreffen redete, wurde ihm nur selten widersprochen. Darauf war er stolz, weil er es seinem hohen Status zuschrieb. Tatsächlich war es so, dass niemand ihm widersprach, weil er für sein aufbrausendes Temperament und seine spitze Zunge bekannt war und niemand das Bedürfnis hatte, zur Zielscheibe eines solchen Ausbruchs zu werden. Ob ein Verhalten von Furcht oder Respekt bestimmt ist, lässt sich manchmal nur schwer unterscheiden. Ref 86
Frauen, die zu Wutausbrüchen nicht fähig sind, sind unfähig, diese Art von Macht auszuüben. Weit schlimmer ist, dass ihre Konfliktscheu sie ausnutzbar macht. Kurz, sie stehen nicht für ihre Interessen ein. Auch prominente Frauen sind nicht immun gegen dieses Verhaltensmuster. Oprah Winfrey hat zum Beispiel gesagt. »Mein größter Fehler ist meine Unfähigkeit, Leuten offen die Meinung zu sagen. Nach all den Shows, die ich gemacht, all den Büchern, die ich gelesen, all den Psychologen, mit denen ich gesprochen habe, lasse ich mich immer noch bis zum Gehtnichtmehr ausnutzen. Ich schiebe es vor mir her und zermartere mir tagelang den Kopf, bis ich endlich den Nerv aufbringe, irgendetwas zu sagen. Manchmal denke ich, dass ich mich lieber vor einen Lastwagen schmeißen würde, als jemanden zur Rede zu stellen, der mich ausnutzt.«
Es handelt sich hierbei nicht um eine individuelle Schwäche Oprah Winfreys, sondern um ein Problem, das unzählige Frauen haben. Tatsächlich ist es nicht so sehr eine Schwäche als eine Stärke, die aber in oppositionellen Kontexten nicht funktioniert. Erfolgreiche Frauen sind für diese Schwäche vielleicht besonders anfällig, weil sie ihren Erfolg wahrscheinlich gerade dem Umstand verdanken, dass sie gut mit Leuten auskommen – und nicht mit ihnen streiten. Viele Frauen lernen, Konfrontationen zu vermeiden, damit sie gut mit anderen auskommen und gemocht werden. Aber es ist leichter, jemanden auszubeuten, der Konfrontationen aus dem Weg geht, als
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