„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
gemeinsam: die Ablehnung des maroden Alltagstrotts. Die Musik war dabei ihr gemeinsamer Nenner und manchmal wussten sie gar nicht, dass sie zusammen auf den beiden Plattentellern des Discjockeys lagen – heraus kam die Pop-Avantgarde, die Freaks und Fans die modische Freiheit erlaubte, mal mit Irokesenschnitt, Bomberjacke und Schottenkilt, mal mit Gelfrisur, weißem Glitzeranzug und Blue Suede Shoes aufs Parkett zu treten. Schwarze Funkmusiker wie Chic oder The Gap Band wurden zu Idolen der Discogeneration, Ian Dury & the Blockheads, Blondie oder Human League machten Punk und New Wave pop- und gesellschaftsfähig. Jeden Morgen, wenn Speedy den letzten Song gespielt hatte, grölten und klatschten sie so lange, bis der korpulente Speedy noch mal ächzend auf seine Kanzel kletterte und den Unersättlichen auf der Tanzfläche seine Zugabe zum Fraß vorwarf. Es roch nach kaltem Rauch und dem Schweiß von Cold-Sweat-Armin, der immer noch unter der Treppe kauerte und auf seiner Conga die Rhythmuslinie eines Songs weiter vor sich hin trommelte, der schon seit über zehn Minuten nicht mehr lief.
Wenn das Putzlicht anging, wateten wir knöcheltief durch Zigarettenasche, Wodka, Glassplitter, leere kleine Plastiktüten und zerrissene Slips. Einmal hatte Biwak sogar ein Gebiss gefunden, natürlich mit goldenen Schneidezähnen, und einmal brauchten wir eine glatte Stunde, um den Spülkasten im Frauenklo von Handschellen und darin versenkten Dildos zu befreien. Warum wunderte es mich eigentlich nicht, als mich am nächsten Abend zwei nette Mädels, eine Querflötistin und eine Cellistin eines in der Münchner Oper gastierenden russischen Prachtorchesters, beide etwa Ende zwanzig, zwanglos fragten, ob wir ein paar persönliche Dinge von ihnen auf unserer Damentoilette gefunden hätten?
Früher waren die Einstellungskriterien für Türsteher einfach: Kampfsporterprobt und fitnessgestärkt mussten sie sein. Ich hatte mich zwar schon mal mit achtzehn auf der Insel Rab mit ein paar Einheimischen um ein Mädchen geprügelt und auch ich war schon mal im Fitnessstudio gewesen, wo ich mit großen Augen gedopten Hinterwäldlern zusah, wie sie ihren Bizeps mit schweren Bleigewichten darauf vorbereiteten, nächsten Sommer den Titel des Mister Niederbayern zu holen, doch weder das eine noch das andere war wirklich mein Ding. Ich wusste auch nicht mehr, was mich damals geritten hatte, als ich Kurt zusagte, den Job als Türsteher im P1 anzunehmen. Geschweige denn, dass ich mir darüber Gedanken gemacht hätte, meine körperliche Fitness so auf Vordermann zu bringen, dass ich mich wenigstens selber verteidigen hätte können. Ich vertraute dabei meistens auf mein loses Mundwerk und meine Körpergröße von einseinundneunzig. Das reichte aber leider nicht immer. Jeden Abend, bevor ich ins P1 zum Dienstantritt fuhr, war ich in meiner Bude und versuchte mir auszumalen, was an dem Tag passieren konnte. Oft saß ich noch bis halb elf vorm Fernseher und sah mir drittklassige Actionstreifen mit Michael Dudikoff an, in denen es immer so schöne Kloppereien gab. Nicht dass ich mir hier abgucken wollte, wie meine rechte Faust genau auf der Nase meines Gegners landen sollte, nein, es waren vielmehr die grottenschlechten Dialoge und Sprüche, die ich mir merken wollte, um sie nachher an der Tür bei den richtigen Leute anzubringen. Jeden Abend fing ich schon zu schwitzen an, bevor ich in meinen R 4 stieg. Es war ein komisches Gefühl, irgendwas zwischen Schiss und Aufregung. Zu Hause freute ich mich noch riesig auf den Abend und im P1 wollte ich gleich wieder heimfahren, weil meine Schweißflecke bereits durch schwarze Hemden und T-Shirts zu sehen waren, bevor es überhaupt losging. Ich hatte mir sogar mal überlegt, ob ich irgendwelche Waffen mitnehmen sollte, einen Schlagring zum Beispiel oder einen Baseballschläger. Letztendlich bekam ich Jochen.
Mein neuer Kollege war ein ehemaliger Fernmeldetechniker aus Bochum und wollte in München Männermodel werden, weil er gehört hatte, dass hier die besten Agenturen seien. Er sah wirklich gut aus und hätte es als Model sicher auch weit gebracht, zumal er dem Klischee des gebräunten, blonden Endzwanzigers entsprach – ein Bild von einem Mann, wie Mütter es sich gerne von ihrem künftigen Schwiegersohn ausmalen.
Seine Klamotten kaufte er im Supermarkt, die T-Shirts vom Wühltisch, die Hosen als Zugabe zum Sechserpack Kirschjoghurt. Zu den weiten Latzhosen aus Denim trug er Slipper oder Mokassins ohne
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