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„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)

„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)

Titel: „Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Gunschmann
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sich in dieser ehrenwerten Gesellschaft verhalten sollte. Schließlich hatte er insgeheim bereits vor, neben seinem Tür-Job im P1 auch als »Jochen, der Jäger« im Münchner Milieu anzuheuern. Das Gestüt der Brautjungfern lieferte ein Schauspiel ohnegleichen. Wie bei Germany’s Next Topmodel liefen die Kandidatinnen den langen Gang zwischen den Biergartengarnituren auf und ab und zeigten ihre neuen Kleider: geschlitzte Lederröcke, Piercings, Tattoos und Pumps, wie wir sie noch nie gesehen hatten. Zum Schluss der Show erschien kein Modemacher aus dem Vorhang, sondern der Berliner Hans mit seiner Mama mit den blau getönten Haaren. Die beiden kontrollierten den gesamten Münchner Westen und kassierten alle Mädchen ab, die dort aufliefen. Die Polizei hätte ihre helle Freude gehabt, die schweren Jungs und leichten Mädchen alle zusammen und auf einem Fleck anzutreffen.
    Als die Entführung der Braut anstand, wäre ich an Jochens Stelle doch leicht beunruhigt gewesen. War in einer Hochzeitsgesellschaft wie dieser der Brauch der Brautentführung überhaupt als harmlos anzusehen? Wird die Braut innerhalb des Sperrbezirks festgehalten? In einem anständigen Wirtshaus oder etwa in einem Hotel d’amour? In welcher Form und in welcher Höhe wird das Lösegeld fällig?
    Wir hatten keine rechte Lust, am frühen Abend alle Freudenhäuser Münchens abzusuchen, und da Jochen in dieser Gesellschaft nicht wirklich einen Freund hatte, mit dem er auf Entführerjagd hätte gehen können, nahmen ihn Oleg und Boleg, das ukrainische Zwei-Mann-Inkassobüro des Berliner Hans und seiner Mama, in die Mitte. Sie setzten Jochen zwischen sich auf die durchgezogene Vorderbank ihres US-Pick-ups und rasten los, die verlorene Braut wieder einzufangen. Jochen müsste sich überhaupt keine Sorgen machen, sie hätten, sagten Oleg und Boleg, bisher jeden gefunden, egal wo er sich versteckt hatte. Schon nach der ersten Kurvendrift mit dem 360-PS-Boliden, bei dem Jochen mit dem Gesicht voraus auf Olegs Schoß landete, glaubte er ihnen. Die beiden Ukrainer hatten einfach so was Überzeugendes. Als nun Jochen die Hochzeitsrunde verlassen hatte, machten wir uns auf Französisch aus dem Staub.
    An den nächsten Abenden hatte ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Jetzt, wo ich doch Schulter an Schulter mit Münchens Rotlicht-Paten gefeiert hatte, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis Messer-Charly und die anderen auftauchten und das P1 zu ihrer »Boazn« machten. Ich hatte mich schon gefragt, wie unser weiß getünchter Laden wohl im schummrigen Rotlicht mit Oben-ohne-Bedienungen rüberkommen würde oder als Disco mit Oleg und Boleg an der Kasse.
    Da war mir dann doch die Schickeria mit ihren Adelssprossen und den Von-und-Zus lieber. Von denen gab es bei uns genug und sie hatten immer viel Spaß im P1, genauso wie die Schumann’s-Gänger und die Tempo -Leser, die Punks und Discofreaks, die Dorfjugend und die Bürgermeister, die Kellner vom Griechen und die Ami-Models aus Miami. Und zwischendrin: die hübschesten Mädchen der Stadt. Deshalb hatten wir auch fast nur Jungs an der Bar. Denn wenn du gute Barkeeper hast, kommen die Girls, und wenn die Hasen da sind, kommen die Typen mit der Kohle. Dann hatten wir den »gemischten Salat«. Mit dieser Metapher haben wir immer auf die Frage geantwortet, nach welchen Kriterien wir die Tür machen würden: Auf die Mischung kam es an.
    Kurt hatte mir gesagt, ich sollte von jeder »Salatsorte« am Abend immer zehn Leute reinlassen, was mir jedoch nicht immer wirklich gelingen wollte. Der Schreiner Michi war wohl so einer, der zählte für sich allein als Zehner-Gruppe. Seine verfilzten Haare gingen ihm bis zur Schulter und sein buschiger Bart bis weit unter den Kehlkopf. Seine Hände unterschieden sich kaum von einer ausgewachsenen Bärentatze, nur waren seine Fingernägel nicht so lang und Michi hatte wahrscheinlich mehr Hornhaut an den Fingerkuppen als jeder Grizzlybär in Nordalaska. Ich hatte vom Händeschütteln mit ihm bereits diverse Quetschungen an Mittel- und Zeigefinger davongetragen, was mich unverzüglich veranlasste, beim Arbeiten ab sofort Handschuhe zu tragen. Vor allem an heißen Abenden im Sommer war das très chic . An der Bar stellten sie ihm, wenn er kam, einen Kasten Bier auf den Tresen; die 24 Flaschen hielten gerade mal für eine Stunde. Wenn wir morgens um halb sechs das Licht anknipsten, fanden wir Michi oft schnarchend unter dem Treppenabsatz, dann bemalten wir sein Gesicht mit einem

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