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„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)

„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)

Titel: „Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Gunschmann
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Socken. Er mochte einfach keine Socken, auch nicht im Winter, dann trug er Moonboots. Jochen war das, was man pflegeleicht nannte. Da er – natürlich – keine Bude in München hatte, war er vorübergehend zu mir in mein Ein-Zimmer-Apartment gezogen, er schlief auf meiner alten Couch und ich auf einer Neunzig-Zentimeter-Matratze auf dem Veloursteppich. Er zog sich zurück, wenn ich mal meine Ruhe haben wollte, obwohl es gar keinen Platz zum Zurückziehen gab. Dann verschwand er für ein paar Stunden im Bad. Keine Ahnung, was er da drin gemacht hat. Er stellte den Wecker für mich, kaufte mir Marmelade fürs Frühstück und erledigte den Abwasch. Nichts gegen Freunde, die alles für einen tun, aber als er meine Cannabis-Pflanzen als Unkraut aus meinen Blumenkästen am Fenster gejätet hatte, war meine Geduld mit seiner Fürsorglichkeit am Ende. Ich schickte ihn los, ein Mädchen kennenzulernen, nein, eine echte Frau! Weit kam er nicht, denn die Kneipe in der Nachbarschaft, ein heruntergekommener Billardsalon, sollte sein erstes Jagdrevier sein. Der Laden war bekannt dafür, dass sich hier Spielhallenjunkies und Damen und Herren aus dem Rotlichtmilieu herumtrieben. Das Helle kostete zwei Mark zwanzig und die meisten Gäste hatten schon mehrere intus. Jochen bestellte sich einen Schnaps, ging zur Musikbox, warf fünfzig Pfennig ein und drückte die Knöpfe für ein Lied, das nicht besser hätte zu ihm passen können: » Der Junge auf dem weißen Pferd«.
    »Du hast es ertragen, Hilde,
    hast geputzt und gekocht,
    du hast mich nicht einmal geschlagen,
    wenn ich nach ’ner anderen roch,
    du hast die Beine breitgemacht,
    wenn mir danach war, Hilde,
    eins ist dir ja wohl klar …
    Der Junge auf dem weißen Pferd,
    der kommt nicht mehr,
    Frauen werden nicht entführt,
    da müsstest du schon selber gehen …«
    Lieber Marius Müller-Westernhagen, es war nicht Hilde, sondern Rosi, die auf Jochen aufmerksam wurde, was ihrem Begleiter sichtlich missfiel, einem stämmigen, aber kleinen Typen mit schulterlangen Haaren – sein beleibter Körper steckte in einem bodenlangen, schwarz-weißen Fellmantel. Im Salon nannten sie ihn »Chirurg«. Vielleicht war er auch Münchens einziger Zuhälter mit OP-Erfahrung. Er hatte seine Assistentinnen um sich geschart und wurde fuchsteufelswild, als Rosi die Visite verließ und auf Jochen zuging. Sie machte ihm schöne Augen und ließ ihre Brüste sprechen. Die beiden Dinger hüpften fast aus ihrem weißen Top, als sie ihre Arme hochreckte und Jochen kleine Haarbüschel unter ihren Achseln entdeckte. Das machte ihn tierisch an. Rosi hatte einen schwarzen Knautschleder-Minirock an, knallrote Siebenmeilenstiefel und Strapse mit Playboy-Häschen drauf. Genau sein Typ. Ihm war es scheißegal, ob sie Zimmermädchen im Grandhotel oder Campingwagenverkäuferin auf dem Land war, ob sie im Nagelstudio Hände und Füße bearbeitete oder an der Ausfallstraße auf Freier wartete.
    Vier Monate später wurde geheiratet. Es war die skurrilste Hochzeitsfeier, auf der ich jemals war. Jochen hatte sich dafür im Baumarkt in der Klamottenabteilung einen Anzug gekauft, blaue Hose, aschgraue Jacke und lila Weste. Dazu trug er eine pinkfarbene Fliege. Er sah ein wenig aus wie der Koberer eines Amüsierlokals auf der Reeperbahn. Nach dem Standesamt trafen wir uns in einer Kneipe in Sendling, deren Namen ich gleich wieder vergessen hatte. Der abgedunkelte Nebenraum war mit verblichenen Biergartengarnituren ausgestattet und mit einzelnen Luftschlangen geschmückt; irgendwo hingen ein paar hellblaue Luftballons, denn Hellblau war Rosis Lieblingsfarbe.
    An der hinteren Wand des Nebenraums hatte sich der in gewissen Kreisen sehr beliebte Wedding-Singer Wim Wunderlich mit seiner glucksenden Hammondorgel aufgebaut. Früher war Wim auf Schützenfesten als Preisboxer unterwegs und hatte sich so bei den ansässigen Luden ehrlichen Respekt erarbeitet. Später trat er als Organist den Jetsetters bei, der Lieblingstanzband vom Berliner Hans. Als die Hochzeitsgesellschaft den Raum betrat, spielte er »Sag nur einfach Je t’aime« von G. G. Anderson. Schrecklich.
    Jochens Eltern saßen neben ihrem Sohn, gegenüber von Maike, Speedy und mir. Sonst war vom P1 keiner gekommen. Gegenüber Rosis Mutter hatten Bonzen-Bernd und Messer-Charly Platz genommen; beide hatten ihre besten Pferdchen dabei und vertilgten schmatzend ihre Portionen der Hauptspeise vom Buffet, Wiener Würstl mit Kartoffelsalat. Jochen wusste nicht wirklich, wie er

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