„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
Filzstift und fotografierten ihn so.
Meine Lieblingsgäste aber waren die Schumann’s-Leute. Diese »echten« Münchner fanden sich abends in einer dunklen, holzverkleideten Bar an der Maximilianstraße ein. Dort saßen sie und aßen Schnittlauchbrot und Bratkartoffeln, die Chef Charles für sie zubereitet hatte. Ja, das Schumann’s. Manche liebten es und manche liebten es noch mehr. Die Kellner – in Traumschiff-Uniformen – waren die Popstars der Münchner Barkultur, unnahbar, und sie durften schlecht drauf sein, wann immer sie wollten. Einen Tisch zu bekommen, war vergleichbar mit einem Lottogewinn, das höchste Glücksgefühl für alle Zugereisten. Und fragte man frecherweise nach einem solchen, konnte man froh sein, wenn man dableiben durfte. Die Stammgäste aber kannten die Kellner beim Vornamen, sahen gut aus und tranken den besten Whiskey Sour der Stadt. Gegen halb zwei verließen sie das Schumann’s und kamen die fünfhundert Meter rüber ins P1. Der Autor Moritz von Uslar gehörte dazu und der Schriftsteller Rainald Goetz oder der Musiker Andreas Dorau.
Apropos Andreas Dorau: Anfang 1983 hatte ich mich entschieden, DJ werden zu wollen – bestärkt durch einen Besuch im Zoozie’z. »Fred vom Jupiter« von Andreas Dorau lief gerade. Aber der Weg zum DJ führte im Zoozie’z erst einmal an die Spüle zum Gläserwaschen. Eigentlich, so jedenfalls mein Plan, wollte ich dort eher als Plattenaufleger Eindruck schinden, vor allem bei den hübschen Barfrauen Vroni und Stella. »Vierzehn Gläser«, hatte Vroni gesagt, »vierzehn Gläser musst du zwischen zwei Platten schaffen. Das kriegst du hin. Dann gehe ich mit dir«, versprach sie, »in den Getränkekeller.« Bitte fünf Sekunden Bedenkzeit.
Sicher würde ich mich auch noch nach zwanzig Jahren daran erinnern, wie mir das blonde Vollweib Vroni das Bierlager schmackhaft gemacht hatte. Und sicher würde ich glücklich und erleichtert wieder zurückkommen, um mich über die nächsten vierzehn Gläser herzumachen. Das Teufelchen links auf meiner Schulter votierte klar für die Keller-Nummer mit der Vroni, das Teufelchen rechts aber wollte mich als Discjockey sehen und lieber »9 to 5« von der prallbusigen Dolly Parton hören. Und tatsächlich bestand im Zoozie’z zunehmend Bedarf an meinem DJ-Set; in gewisser Weise war dies dann der sexuelle Höhepunkt meiner Kneipenkarriere. Mit dem Zoozie’z hatte ich nun endlich auch den Grund gefunden, warum das Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Münchner FH damals für mich an Attraktivität verloren hatte. Im Rückblick wurde mir klar, dass ich das Studium deswegen niemals hätte schmeißen dürfen. Schuld daran war auch der magische Moment fröhlicher Geselligkeit, wenn die Gäste anfingen, zum Nippen zu wippen, und ich dabei feststellen konnte, dass meine aufgelegten Platten und meine wochenlang mit viel Mühe und Muße zusammengestellte Titelauswahl mit dem unterirdischen Mainstream-Geschmack von Althippies und Barhockern nahezu übereinstimmte. Dabei war ich sehr stolz, der dankbaren Fangemeinde am Bartresen nicht gerade die Faschingsbrüller hinschmettern zu müssen – ich suchte sogar Songs aus, von denen ich glaubte, sie gehörten zum Reigen intellektueller und postmoderner Rockmusik. Ich gebe zu: Ich bin ein Stones-Fan. Deshalb legte ich auch »Too much blood« aus dem legendären 1983er-Album Undercover auf und glaubte, dass keiner in der Lage wäre mitzusingen, weil es darin einen sensationell komplizierten Rap-Part von Mick gibt, der eine unfassbare Gräueltat dermaßen entspannt rüberbringt, sodass sicher kein Zoozie’z-Gast je verstanden hätte, um was es dabei eigentlich ging:
»A friend of mine was this Japanese.
He has a girlfriend in Paris.
He tried to date her in six months and eventually she said yes.
You know, he took her to his apartment, cut off her head,
put the rest of her body in the refrigerator, ate her piece by piece.
Put her in the refrigerator, put her in the freezer, and when he ate her,
and took her bones to the Bois de Boulogne, by chance, a taxi driver
noticed him burying the bones. You don’t believe me?
Truth is stranger than fiction. We drive through there every day.
I can feel it everywhere, feel it up above, feel the tension in the air,
There is too much blood, too much blood, too much, yeah, too much blood!«
»Truth is stranger than fiction.« Die Realität ist absonderlicher als die Fiktion – wie wahr. Und es gab tatsächlich Gäste im
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