„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
vorbei zum Durchgang in die Disco. Jetzt erkannte ich auch die Musik, »Walk on the wild side« von Lou Reed, dann lugte ich in den Eingang zur Tanzfläche und versuchte, den kompletten Innenbereich in den Blick zu bekommen.
Sie hatte wallendes blondes Haar, das aussah, als würde sie dreimal pro Woche zum Friseur gehen. Das bodenlange rote Abendkleid aus Satin rauschte über die Solnhofener Platten der Tanzfläche; es hatte an der Seite einen fünf Zentimeter breiten Schlitz, sodass jeder gleich erkennen konnte, dass die Trägerin sich ohne Slip auf dem Dancefloor bewegte. Ich konnte ihr Gesicht nicht richtig erkennen, das Paar tanzte einen engen Blues. Der Mann war etwa Ende vierzig, hatte schulterlanges braunes Haar und war etwas kleiner als sie. Sein Körper steckte in einem eleganten Smoking, die Fliege an dem Kent-Kragen des Hemdes war offen und die beiden Bänder baumelten rechts und links herunter. Ich wusste sofort: Er war’s! Nur fiel mir sein Name nicht ein. Mein Gott, der einsame Hollywoodrächer, gejagt, verfolgt und am Ende immer der Sieger. Bulle, Skipper, Klapperschlange, alle hatte er durch, nur sein Name, wie war sein verdammter Name? Wie dem auch sei, ich beschloss, in Erscheinung zu treten, schließlich war ich der Türsteher, der Chef im Haus. Als ich vor ihnen stand, ging gar nichts mehr, meine Stimme versagte total, ich also: »Ähm, hallo, herzlich willkommen«, dann erst mal wieder Sendepause. Nach zehn Sekunden sagte ich in holprigem Englisch: »Willkommen im P1, wir haben zwar noch nicht offen, aber ich freue mich trotzdem, und Sie können natürlich noch weitertanzen, bis wir alles aufgebaut haben.« Er darauf: »Wo sind wir hier überhaupt?« Noch immer fielen mir die Namen der beiden nicht ein, ich ärgerte mich grün und blau, sonst wusste ich richtig viel, bei jedem Fernsehquiz machte ich bei Musik- und Filmfragen alle platt. Als ich ihm sagte, sie seien im P1, dem besten Club Deutschlands – damals trauten wir uns, manchmal richtig auf die Kacke zu hauen und einfach zu behaupten, dass wir der beste Club der Republik, ach was, ganz Europas seien – meinte er, sie kämen gerade von einer fucking boring Preisverleihung, und sie wollten nur noch tanzen gehen. Ihr Fahrer habe sie direkt hierher gefahren und die Tür sei offen gewesen. Sie seien einfach reingegangen, hätten nette Musik gehört und angefangen zu tanzen. Ob ich damit ein Problem hätte? »Oh, no, no, natürlich nicht.« Eigentlich konnte ich es nicht ausstehen, wenn jemand im Laden war, bevor wir aufmachten. Aber das ließ ich die beiden natürlich nicht merken. Ich unterhielt mich einen Augenblick lang mit ihnen, sie war ganz aufgeregt, er nestelte die ganze Zeit in seiner Hosentasche rum und holte schließlich einige 100-Dollar-Noten hervor. Champagner war das Zauberwort! Ich flitzte hinter in die Ausgabe zu Biwak, um eine Magnum-Flasche aus dem Lager zu holen. Also Biwak, der kannte jeden Hollywoodstar. Es war seine Leidenschaft, aus der Bunten alles über die Reichen und Berühmten zu erfahren. Er schob seinen runden Schädel durch die Ausgabeluke und fragte: »Wow, was machen die denn hier?« Ich: »Wer? Ach die? Die tanzen hier so rum, weil sie von einer Gala abgehauen sind. Verdammt, Biwak, sag schon: Wer sind die beiden?« Und er: »Klaro, das sind Don Johnson und Melanie Griffith. Du weißt schon, Miami Vice und Tell it like it is und so.« – »Also, nun mal im Ernst«, sagte ich, »bist du dir da ganz sicher?« – »100 Pro!« Ich ging also tapfer mit der teuersten Champagnerflasche meines Lebens in der Hand zu den beiden zurück und schenkte ihnen den Schampus in die Gläser. »Na dann Prost, Don! Schön, dass du da bist, Don! Und Melanie, du siehst klasse aus, wirklich, Melanie!« Die beiden waren ganz angetan von der Freundlichkeit, die ihnen hier entgegengebracht wurde, nur das mit den Namen, das hatten die im P1 wohl nicht so richtig drauf. Goldie Hawn und Kurt Russell blieben an diesem Abend dennoch bis in die Puppen.
Nie vergessen werde ich auch meine erste Begegnung mit Mick Fleetwood und Stevie Nicks in derselben Nacht eines eiskalten Mittwochs im Februar. Als es an der Tür klopfte und ich mein Guckfensterchen öffnete, sah ich erst mal schwarz. Vor der Tür stand ein großer schwarzer Ledermantel und sonst war nichts zu sehen. Der Blickwinkel aus dem dreißig mal dreißig Zentimeter großen Guckloch reichte nicht aus, um die volle Statur des Mantelträgers zu begutachten. Folglich steckte ich
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