„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
davongetragen. Immer wenn er prall wie eine Haubitze war, drückte er sie so fest am Arm, dass sie sich kaum die Tränen verkneifen konnte. Und zwei Tage zuvor verpasste er ihr eine mitten ins Gesicht, sodass die Farbe ihrer angeschwollenen Wange sogar durch das stark aufgetragene Rouge durchschimmerte. Es war nach dem Konzert in Wien, als sie sich gerade in der Lobby des Hotels Sacher von ihrem alten Freund mit einer Umarmung verabschiedet hatte. Nemo rastete da völlig aus und verprügelte erst Maikes Ex, dann drückte er sie gegen den Rezeptionstresen und knallte ihr seine Faust auf die rechte Backe. Ihre Minihandtasche war zwar nicht aus hartem Material, aber zumindest ließ er von ihr ab und holte sich einen tiefen Ritzer am Jochbein, als Maike ihm die kleine Tasche um die Ohren schlug.
An jenem Abend im P1 hatte Nemo schon haufenweise Irgendwas in der Nase, das war sein Problem, denn die brachiale Mixtur aus schottischem Single Malt und dem Dreckszeug hatte sein Gehirn fest im Griff. Sein Blick war stier, seine Gestik zeitlupenmäßig langsam und ihm kamen nur unverständliche Worte über seine ausgetrockneten Lippen. In den Wortwechsel zwischen Kurt, Maike und Nemo schaltete sich plötzlich Carlo ein. Er war buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht und hatte sogar seine SM-Spielchen mit Mira unterbrochen. Er war von ausgesprochen freundlichem Naturell, konnte keine Streitigkeiten ertragen, war fast grauenerregend diplomatisch, vielleicht sogar aus gutem Hause und von Beruf erfolgreicher Anwalt oder so. Wahrscheinlich hatte er dennoch oder gerade deswegen ein dunkelschwarzes Geheimnis. Carlo also packte Nemo am Hosenbund seiner Jeans und legte seinen anderen durchtrainierten Arm um ihn, sodass sein schweißnasses Latexlätzchen an Nemos Brusthaaren kleben blieb. »Okay«, sagte er, »ich werde mich mal um ihn kümmern.« – »Wegen uns nicht«, fauchte Maike wie eine waidwunde Tigerin, »wir hätten es ihm schon selber besorgt!« Dann machte Carlo mit Nemo die Mücke und das war gut so, denn Kurt hatte schon befürchtet, dass die Sache in eine große Schlacht ausarten würde. »So ein Arschloch«, sagte Maike und schaute Nemo nach, bis er auf der überfüllten Tanzfläche mit Carlo verschwunden war, dann drehte sie sich zu Kurt: »Hey«, fragte sie, »hast du zufällig noch einen Job frei?«
Szenenwechsel: Sechzehn Tage dauernder Ausnahmezustand in München, eine Stadt im Würgegriff, das Oktoberfest. Auswärtige und München-Neider erinnerten sich zum Oktoberfest plötzlich daran, dass sie in der Isarmetropole einen Cousin dritten Grades sitzen hatten, nur um Ende September in einer aufgehübschten Holzhütte am Fuße der Bavaria oder in einem der Bierzelte einen Tisch zu bekommen. Überhaupt, die Sache mit dem Tisch. »Hast du einen?« Wir hatten jeden Abend einen! Eine simple Tischreservierung, die man übrigens fast ein Jahr im Voraus tätigen muss, wird für sechzehn Tage das zentrale It-Wort jeglicher Ausgehrituale aller Feierfreudigen. Du bist verloren, wenn du keinen hast, tot, und du kannst nichts dagegen machen, gar nichts! Oder kennt jemand eine bessere Party, zu der sich Gothic-Schwestern und Society-Ladys in ein kunterbuntes Dirndl zwängen, damit der Busen wie eine Presswurst aus dem Dekolletee quillt? Dirndl, Krachlederne und Haferlschuhe werden zu Symbolen der Völkerverständigung und alle Menschen werden Brüder.
Nicht wegzudenken und außergewöhnlich feierfest waren damals zur Wiesn-Zeit die Damen und Herren aus den sexorientierten Berufen. Nicht nur, dass die Münchner Etablissements ihre Gleitcremevorräte und ihre Accessoireslager aufstockten, sie holten sich auch weibliche Verstärkung aus dem Ausland, um dem Ansturm der manneskräftigen Festbesucher standzuhalten und ihnen Samen und Bares zu entlocken.
Alle waren sie da, die Kiezgrößen von der Reeperbahn, der schöne Udo, Inkasso-Karl, die Russen aus Berlin, die Frankfurter Jungs, alle warteten das ganze Jahr sehnsüchtig, bis Bonzen-Bernd und der Berliner Hans zum Oktoberfest in ein Festzelt luden. Facettenreich gestaltete sich auch die Einkleidung der angereisten Rotlichtpaten, besonders nett anzusehen war die Kreuzung aus bayerischer Ledertracht mit hautengen Netzhemden und Khaki-Jogginghosen. Ein findiger Altrocker mit Schneiderambitionen machte gleich mal aus der Not eine Tugend und stellte die »Macht der Tracht« ins Rotlicht.
Der Tisch im Bierzelt war eigentlich zu klein für die ganze Bande. Wie immer bestellte
Weitere Kostenlose Bücher