Du kuesst so teuflisch gut
Testamentsvollstreckers war Jack eine ruhige Zeit zugesichert worden, außerdem ein gut ausgestattetes Büro und eine Haushälterin.
Hört sich gut an, hatte Jack damals gedacht. Als aber jetzt die kleine zierliche Frau auf die oberste Treppenstufe trat, war er nicht mehr so sicher. Neben Hunter, der sein Gewissen belastete, aber schon lange tot war und deshalb keine Gefahr mehr darstellte, war sie der letzte Mensch, dem er in seinem Leben hatte wiederbegegnen wollen.
„Hallo, Jack“, sagte sie.
„Meredith.“
Sie sah ihn aus großen blauen Augen erstaunt an. „Du hast mich erkannt?“
„Sicher. Warum denn nicht?“
„Wir haben uns doch schon ewig nicht mehr gesehen und uns beide ziemlich verändert.“
„Ich würde dich überall wiedererkennen.“ Über die Jahre hatte er zwar versucht, ihre Spur nicht zu verlieren, denn das wenigstens war er Hunter schuldig. Schließlich hatte er dem Freund versprochen, auf dessen kleine Schwester aufzupassen. Allerdings hatte er sich mit ihr nicht persönlich in Verbindung gesetzt und sie auch schon lange nicht mehr gesehen. Das erleichterte ihm die Situation. Er war immer regelmäßig über ihren Werdegang informiert worden und war deshalb auch nicht erstaunt über ihr Aussehen. Sie wirkte irgendwie anders, sehr viel weiblicher, als er sie in Erinnerung hatte. Er wusste, dass sie vorübergehend in Kalifornien bei JPL arbeitete, einem Unternehmen, das sich mit der Entwicklung von Raketenantriebsstoffen beschäftigte. Was genau sie da getan hatte, war ihm nicht klar. Und vor allem hatte er keine Ahnung gehabt, dass sie auch hier sein würde.
Sie murmelte irgendetwas vor sich hin. „Gut zu wissen“, sagte sie dann lauter.
Ihre Augen waren immer noch so blau, wie er sie in Erinnerung hatte. Hunters Augen hatten die gleiche Farbe gehabt und auch die gleiche Form. Auch ihr Lachen war ähnlich, doch davon abgesehen hatten die Geschwister nicht viel gemein.
Er hatte Meredith schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Das letzte Mal wahrscheinlich bei Hunters Beerdigung. Und davor …
Entsetzlich, er wollte nicht an ihr herzergreifendes Geständnis denken, damals, als sie siebzehn gewesen war, und vor allem nicht daran, wie ungeschickt, ja, brutal er darauf reagiert hatte. Aber seitdem war viel Zeit vergangen, versuchte er sich zu beruhigen.
Sie ist jetzt wirklich eine erwachsene Frau, stellte er fest, als sie die Stufen herunterkam und vor ihm stehen blieb. Der Babyspeck war weg, und sie hatte sich zu einer hübschen und attraktiven Frau entwickelt, die selbstbewusst war und zu wissen schien, wo ihr Platz in dieser Welt war.
Unter anderen Umständen wäre er durchaus an ihr interessiert gewesen. Aber bei Meri war das anders. Schließlich hatte er sein Wort gegeben.
„Offenbar hast du auch einen Brief von dem Anwalt bekommen“, sagte sie lächelnd. „Denn sonst wärst du wohl nicht hier. Du musst einen Monat hierbleiben. Nach dieser Zeit werden das Haus und das Geld in einer feierlichen Zeremonie der Stadt übergeben. Dazu sind auch die anderen, die alle schon einen Monat hier verbracht haben, eingeladen. Und nach eurem Wiedersehen kannst du Hunter’s Landing verlassen, bist also wieder ein freier Mann.“ Sie warf einen kurzen Blick auf seinen Koffer und die Tasche mit dem Laptop. „Du reist ja mit erstaunlich leichtem Gepäck.“
„Ja, man ist beweglicher.“
Sie neigte leicht den Kopf und sah ihn skeptisch an. Diese Geste erinnerte ihn sehr an die Meri von früher. Das junge Mädchen hatte er immer sehr gern gehabt. Aber er hatte nicht damit gerechnet und auch nicht die Absicht gehabt, die Frau, zu der sie geworden war, kennenzulernen.
Er blickte sie langsam von oben bis unten an und runzelte die Stirn. Bildete er sich das nur ein, oder war ihre Shorts nicht viel zu kurz? Nicht, dass sie es sich nicht leisten konnte, bei den Beinen. Außerdem musste er zugeben, dass ihm der Anblick gefiel. Aber dies war Meredith, Hunters kleine Schwester. Und musste die Bluse wirklich so durchsichtig sein?
„Ich wohne übrigens auch hier“, sagte sie mit leiser tiefer Stimme.
Bei jeder anderen Frau hätte er das als Einladung verstanden. Aber nicht bei Meredith, da durften ihm diese Gedanken nicht kommen. „Warum denn das?“, fragte er barsch.
„Ich bin die Haushälterin, die dir versprochen worden ist. Ich bin hier, um dir das Leben … angenehmer zu machen.“
„Ich brauche keine Haushälterin!“
„Tut mir leid, du hast keine Wahl. Ich gehöre zum Haus dazu,
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