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Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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daß du auf die Insel gekommen bist.«
    »Er heißt also David?«
    »Ja. Ich habe ihn nach dem einzigen Mann genannt, der in Hollywood nett zu mir war, übrigens ein Engländer. Er hieß David Niven und ist ein berühmter Schauspieler und Produzent. Hast du schon von ihm gehört?«
    »Natürlich. Und es wird mir eine Freude sein, David ab und zu ein Stück Fisch zukommen zu lassen, sozusagen als Dank für das Vergnügen, das mir der andere David bereitet hat.«
    Schweiß begann über Bonds Gesicht und Brust in seine Badehose zu laufen. Kissy löste ihr Kopftuch, beugte sich vor und rieb ihn leicht ab. Bond sah lächelnd in ihre mandelförmigen Augen und hatte erstmals Gelegenheit, ihre kleine Stupsnase und ihren Mund aus der Nähe zu betrachten. Sie brauchte kein Makeup, ihre Haut hatte die Farbe eines reifen Pfirsichs. Ihr dunkles Haar war gewellt, die Fransen endeten einige Zentimeter über den geraden zierlichen Augenbrauen. Ihre Zähne waren gerade und standen zwischen den Lippen nicht weiter hervor als bei jedem europäischen Mädchen. Ihre Arme und Beine waren länger und weniger kräftig als sonst bei japanischen Mädchen, und am Tag zuvor hatte Bond auch gesehen, daß sie feste Brüste und Hüften und einen fast flachen Bauch hatte
    - eine makellose Figur, die jeden Vergleich mit den Startänzerinnen aushielt, die Bond in den Nachtklubs von Tokio gesehen hatte. Doch Kissys Hände und Füße waren rauh und von der Arbeit verschrammt; ihre Finger- und Zehennägel waren, wenn auch ganz kurz geschnitten, abgebrochen. Bond fand das anziehend. Ama bedeutete soviel wie »Meermädchen« oder »Meermann«, und Kissy trug die Zeichen des Kampfes mit den Tieren des Meeres mit offensichtlicher Gleichgültigkeit. Ihre Haut, die täglich dem Salzwasser ausgesetzt war, zeigte keine Spuren der harten Beanspruchung, sondern schimmerte goldbraun. Die ganze Gestalt strahlte Gesundheit und Lebensfreude aus. Es waren aber der Zauber und die Offenheit ihrer Augen und ihres Lächelns sowie ihre völlige Natürlichkeit, mit der sie zum Beispiel Bonds Gesicht und Brust abtrocknete, die sie Bond so begehrenswert erscheinen ließ. Einen Augenblick lang dachte er, daß es nichts Schöneres gäbe, als sie für den Rest seines Lebens am Tag hinauszurudern und in der Abenddämmerung mit ihr in das kleine saubere Haus zurückzukehren. Er schüttelte die Vorstellung ab. Nur ein oder zwei Tage, dann mußte er in die Wirklichkeit zurückkehren, in das geheimnisvolle, schmutzige Leben, das er sich ausgesucht hatte. Er verbannte diesen Gedanken. Heute und morgen waren gestohlene Tage, Tage mit Kissy, dem Boot, dem Vogel und dem Meer. Er wollte dafür sorgen, daß es glückliche Tage waren, glücklich für sie und ihre Arbeit.
    »Wir sind gleich da«, meinte Kissy. »Du hast gut gerudert.« Sie zeigte nach rechts, wo die anderen Amaboote verstreut lagen. »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, heißt es bei uns. Heute können wir zu einer guten Stelle hinausfahren, die die meisten von uns kennen, denn heute gehört sie uns allein. Der Seetang ist dort auf den Felsen ziemlich dicht, und die Awabi-Muscheln leben davon. Es ist tief, ungefähr zwölf Meter, aber ich kann fast eine Minute unten bleiben - das ist genug, um zwei, drei Muscheln einzusammeln, wenn ich sie finde. Das ist Glückssache, man muß mit den Händen im Seetang herumfühlen, weil man die Muscheln kaum sieht. Man sucht sie und macht sie dann damit -«, sie deutete auf die Spitzhacke, »- los. Nach einiger Zeit muß ich mich ausruhen. Vielleicht hast du dann Lust zu tauchen? Du sollst ein guter Schwimmer sein. Ich habe die Tauchmaske meines Vaters mitgenommen. Du wirst wahrscheinlich zunächst nicht lange unten bleiben können. Aber du wirst es schnell lernen. Wie lange bleibst du auf Kuro?«
    »Nur zwei oder drei Tage, fürchte ich.«
    »Oh, das ist traurig. Woher nehmen dann David und ich einen Ruderer?«
    »Vielleicht geht’s deinem Vater bis dahin besser.«
    »Vielleicht. Ich muß mit ihm aufs Festland in einen Kurort bei einem der Vulkane fahren. Sonst muß ich einen Mann aus Kuro heiraten. Das ist nicht einfach; die Auswahl ist klein, und weil ich durch meinen Film ein bißchen Geld verdient habe und etwas bedeute in Kuro, will mich der Mann vielleicht aus den falschen Gründen heiraten. Das wäre doch traurig.«
    »Vielleicht könntest du noch in anderen Filmen mitspielen?«
    »Nie mehr. Ich hasse es!« Ihr Ausbruch war leidenschaftlich. »Alle waren abscheulich zu mir in

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