Du lebst nur zweimal
umzusehen, als er sich schon wieder nach oben gezogen fühlte. Er mußte sich selbst eingestehen, daß seine Lungen in sehr schlechter Verfassung waren; immerhin hatte er einen dicht mit Seetang bewachsenen Felsen entdeckt, und bei seinem zweiten Versuch schoß er direkt auf ihn zu und umklammerte ihn, wobei er mit der rechten Hand im Tang herumtastete. Er spürte das glatte Oval der Muschel, doch ehe er sie mit der Hacke ablösen konnte, wurde er hinaufgezogen. Aber beim drittenmal bekam er die Muschel zu fassen. Kissy lachte vergnügt, als er sie in den Holzbehälter fallen ließ. Er konnte das Tauchen etwa eine halbe Stunde durchhalten, doch dann begannen seine Lungen zu schmerzen, sein Körper war eiskalt. Zum letztenmal tauchte er gleichzeitig mit David auf, der wie ein glänzender schwarzer Fisch auf ihn zugeschossen kam und ihn - wahrscheinlich als Zeichen der Anerkennung
- leicht an den Haaren zupfte, als Bond seine fünfte Muschel in den Behälter legte.
Kissy war mit ihm zufrieden. Sie rieb ihn mit einem rauhen braunen Kimono ab, als er zusammengesunken und keuchend im Boot saß. Während er sich ausruhte, zog sie den Holzbehälter ins Boot und leerte den Inhalt auf den Boden. Mit einem Messer schnitt sie einen Fisch der Länge nach auseinander und futterte David mit den beiden Hälften. Er schluckte die Stücke hinunter und begann sich dann zufrieden zu putzen.
Später unterbrachen sie ihre Arbeit, um ein einfaches Mittagessen einzunehmen, das aus Reis mit kleinen Fischstücken und getrocknetem Seetang bestand, der wie salziger Spinat schmeckte. Nach einer kurzen Ruhepause arbeiteten sie bis vier Uhr weiter, als eine leichte kalte Brise aufkam. Es war Zeit, den langen Heimweg anzutreten. Kissy kletterte zum letztenmal ins Boot und zog mehrmals leicht an Davids Strick. Er tauchte in einiger Entfernung vom Boot auf, erhob sich, als sei dies eine alte Gewohnheit, in die Luft und zog einige Kreise, ehe er im Sturzflug herunterkam und neben dem Boot auf seinen Schwimmfußen landete. Er hüpfte über den Bootsrand und watschelte zu seinem angestammten Platz, wo er mit ausgebreiteten Flügeln stehenblieb und in dieser stolzen Haltung darauf wartete, daß ihn Bond zu seiner Bucht zurückruderte.
Kissy wechselte mit geziemender Schicklichkeit ihre Kleidung und hüllte sich in den braunen Kimono. Sie verkündete, daß ihre Beute fünfundsechzig Awabi-Muscheln betrage, ein großartiges Ergebnis, zu dem Bond zehn Muscheln beigesteuert habe, was für das erstemal schon sehr ansehnlich sei. Zufrieden mit sich selbst, nahm Bond Kurs auf die Insel, die als kleiner Punkt am Horizont lag.
Seine Hände waren wund, sein Rücken schmerzte, als habe man ihn ausgepeitscht, und seine Schultern waren von der Sonne verbrannt, doch er tröstete sich mit dem Gedanken, daß er im Grunde genommen nur tat, was er ohnehin tun mußte - sich für seine Aufgabe zu trainieren. Und er belohnte sich selbst von Zeit zu Zeit mit einem Blick in Kissys Augen.
15
Der nächste Tag war so unbeschwert wie der erste, und ihr Fang stieg auf achtundsechzig Muscheln, was hauptsächlich auf Bonds verbesserte Tauchtechnik zurückzuführen war.
Am Abend zuvor hatte Kissy, als sie vom Verkauf der Muscheln auf dem Markt zurückkam, Bond auf dem Boden seines Zimmers vorgefunden, wo er sich in Muskelkrämpfen wand. Ihre Mutter hatte hilflos danebengestanden. Sie hatte ihre Mutter hinausgeschoben, das weiche futon neben Bond auf dem Boden ausgebreitet, ihm die Badehose ausgezogen und ihn mit dem Gesicht nach unten auf das futon gerollt. Dann hatte sie sich auf seinen Rücken gestellt und war langsam und vorsichtig auf und ab gegangen, und der Schmerz hatte langsam nachgelassen. Sie befahl ihm, ganz still zu liegen, und brachte ihm warme Milch. Dann führte sie ihn in das winzige Badehaus und goß abwechselnd heißes und lauwarmes Wasser über ihn, bis alles Salz von seiner Haut und aus seinem Haar gespült war. Sie trocknete ihn vorsichtig ab, rieb warme Milch auf seinen Sonnenbrand und seine wunden Hände und führte ihn in sein Zimmer zurück. Dann forderte sie ihn auf zu schlafen und sie zu rufen, falls er in der Nacht aufwachen und etwas brauchen sollte. Sie blies die Kerze aus und ging hinaus. Bond fiel sofort in einen traumlosen Schlaf.
Am Morgen spürte er bis auf seine wunden Hände keine Schmerzen mehr, und Kissy bereitete ihm den ungewöhnlichen Genuß, ein Ei in seinen Reis und seine Bohnen zu schlagen. Er entschuldigte sich für sein
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