Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
Vom Netzwerk:
wie das Haus. Nachdem die leisen Geräusche in den beiden anderen Zimmern verstummt waren, hatte Bond ungestört und tief geschlafen.
    Kissy trat aus dem Haus. Sie hatte eine Art weißes Baumwollnachthemd an, ein weißes Tuch hielt ihre dichten schwarzen Haare zusammen. Ihre Ausrüstung
    - die Gewichte und die schwere plumpe Spitzhacke - trug sie über dem Hemd. Nur ihre Arme und Füße waren unbedeckt. Man sah Bond offensichtlich seine Enttäuschung an. Sie lachte und meinte heiter: »Das ist die zeremonielle Tauchkleidung, die man in Gegenwart von wichtigen Fremden trägt. Der Priester hat mich gebeten, sie anzuziehen, wenn ich mit dir zusammen bin. Als Zeichen der Achtung.«
    »Kissy, ich glaube, du schwindelst! In Wirklichkeit hast du dir gedacht, daß deine Nacktheit in meinem verdorbenen westlichen Gemüt unehrenhafte Gedanken erwecken könnte. Das ist ein völlig ungerechtfertigter Verdacht. Immerhin, ich erkenne deine zartfühlende Rücksichtnahme auf meine Schwäche an. Aber jetzt hören wir lieber mit dem Gerede auf und machen uns an die Arbeit. Wir werden heute den Awabi -Rekord brechen. Wie viele wollen wir fangen?«
    »Fünfzig wären gut, hundert hervorragend. Aber vor allem mußt du richtig rudern und mich nicht ertrinken lassen. Und du mußt nett zu David sein.«
    »Wer ist David?« fragte Bond. Der Gedanke, das Mädchen nicht allein für sich zu haben, machte ihn eifersüchtig.
    »Warte es ab.« Sie ging ins Haus zurück und holte den Balsaholzbehälter und eine große Rolle mit einem dünnen Seil. Sie gab Bond das Seil und ging vor ihm auf dem schmalen Pfad, der vom Dorf wegführte. Der Pfad lief hinunter zu einer kleinen Bucht, in der ein Ruderboot auf den schwarzen Kiesstrand hinaufgezogen war. Bond entfernte das Schilf, mit dem das Boot zum Schutz gegen die Sonne bedeckt war, und schob das einfache Fahrzeug ins Wasser. Es war aus irgendeinem schweren Holz gefertigt und lag tief, aber sicher im klaren Wasser. Er lud den Holzbehälter und das Seil ein. Kissy war auf die andere Seite der Bucht gegangen und hatte von einem der Felsen einen Strick losgebunden. Sie wickelte ihn langsam auf und gab dabei einen leisen gurrenden Laut von sich. Zu Bonds Überraschung schoß ein großer schwarzer Kormoran wie ein Torpedo durch das seichte Wasser und watschelte den Strand hinauf auf Kissy zu, wobei er seinen Hals wand und ärgerlich zischte. Kissy beugte sich hinunter, streichelte den Kopf des Tieres und seinen langen Hals und sprach dabei lebhaft mit ihm. Sie kam auf das Boot zu, während sie den langen Strick wieder aufwickelte. Der Kormoran folgte ihr schwerfällig. Er schenkte Bond keine Beachtung, sondern hüpfte unbeholfen in das Boot und kletterte auf die kleine Ruderbank am Bug, wo er sich majestätisch niederließ und sich zu putzen begann; er kämmte mit seinem langen Schnabel die Brustfedern durch und breitete gelegentlich die anderthalb Meter langen Flügel ganz aus und bewegte sie mit gemessener Würde auf und nieder. Dann schüttelte er sich kräftig, machte es sich auf der Ruderbank bequem und schaute mit zurückgelegtem Hals aus türkisfarbenen Augen forschend aufs Meer hinaus.
    Kissy stieg ins Boot und setzte sich mit angezogenen Knien zwischen Bonds ausgestreckte Beine. Bond legte die schweren Ruder in die Klampen und begann nach Kissys Anweisung mit kraftvollem, gleichmäßigem Zug nach Norden zu rudern.
    Er hatte bemerkt, daß der Strick, an dem der Kormoran befestigt war, zu einem dünnen Metallring um den Hals des Vogels lief. Es mußte ein für den Fischfang abgerichteter Kormoran sein, die man in Japan häufig antrifft. Bond fragte sie danach.
    Kissy sagte: »Ich fand ihn vor drei Jahren, als er ganz klein war. Seine Flügel waren voll Öl, ich machte ihn sauber, zog ihn auf und legte ihm einen Ring um den Hals. Natürlich mußte der Durchmesser des Ringes wieder vergrößert werden. Jetzt kann er zwar die kleinen Fische hinunterschlucken, die großen aber bringt er im Schnabel an die Oberfläche. Er gibt sie auch ganz bereitwillig her und bekommt dann ab und zu ein Stück als Belohnung. Er schwimmt fast immer neben mir her und leistet mir Gesellschaft. Es kann da unten ziemlich einsam sein, besonders wenn das Meer dunkel ist. Du mußt den Strick festhalten und auf ihn aufpassen, wenn er auftaucht. Heute wird er hungrig sein. Er war schon drei Tage nicht mehr draußen, weil mein Vater das Boot nicht rudern konnte. Ich bin mit Freunden auf das Meer hinausgefahren. Ein Glück für ihn,

Weitere Kostenlose Bücher