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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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zu lang wären.
    »Danke für den Kaffee, Cousinchen.« Ich hebe die Tasse, als würde ich Gaby zuprosten. Sie lächelt. Wir setzen uns draußen an einen der kleinen runden Metalltische. Die Sonne ist angenehm, wie eine warme, flache Hand auf meinem Rücken.
    Draußen sitzt nur noch ein Mann, der raucht und telefoniert. Trotzdem flüstert Gaby. »Einer der Gründe, warum ich mit dir reden wollte, ist, dass ich das Gefühl habe, du bist der Einzige, der das mit Kayla versteht. Ich meine, er wollte mich, oder? Er hat nach dem Mädchen im Mini Cooper gefragt. Nicht nach Kayla. Sie war nur zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort.«
    »Er hat nach dir gefragt.«
    Gaby schluckt. Eine ganze Weile sagt sie nichts, dann sprudelt es aus ihr heraus: »Manchmal denke ich - was, wenn er es immer noch auf mich abgesehen hat? Was, wenn er noch mal auftaucht?« Ihre Beine zittern wieder. Ich würde am liebsten meine Hand darauf legen, wie bei einem verschreckten Tier, das man beruhigen möchte.
    »Na ja, du machst ab jetzt ja keine Lieferungen mehr«, erwidere ich. »Aber wenn du Angst hast, kannst du auch einfach kündigen.«
    Sie verzieht den Mund. »Wozu soll das gut sein? Wenn er es auf mich abgesehen hat, kann er mich holen, egal ob ich bei Pete bin oder nicht. Wahrscheinlich ist es sogar besser, wenn ich arbeite, dann sind wenigstens andere Leute in meiner Nähe.«
    »Was ist mit deinen Eltern?«
    »Die sind kaum zu Hause. Sie arbeiten in der Unfallchirurgie und sind meistens Tag und Nacht in Bereitschaft.« Sie spielt mit dem Rand ihres Pappbechers. »Oft wache ich morgens auf und stelle fest, dass ich allein zu Hause bin und es die ganze Nacht über war. Es ist unheimlich, auch wenn die Alarmanlage eingeschaltet ist.«
    Ich nicke. Es ist nicht dasselbe, aber manchmal bleibt meine Mom die Nacht über bei einem Typen, den sie kennengelernt hat. Im Endeffekt geht es mir dann genauso: Ich wache in einer leeren Wohnung auf.
    »Hast du mit der Polizei gesprochen? Vielleicht können sie dich unter Personenschutz stellen.«
    »Klar doch.« Sie verdreht die Augen. »Die meinen anscheinend, es war jemand, den Kayla kannte. Du hast es doch vorhin gehört. Sie gehen davon aus, dass Kayla aus dem Auto ausgestiegen ist, weil sie den Täter kannte. Aber er hat nach mir gefragt.« Gaby tippt sich mit dem Zeigefinger auf die Brust. Sie trägt eine durchsichtige, weiße Bluse und darunter ein pinkes Trägershirt.
    »Vielleicht hat er nur nach dir gefragt, um die Bullen auf eine falsche Fährte zu locken, wie Thayer schon sagte. Vielleicht wusste er bereits, dass Kayla an dem Abend arbeitet.«
    Ich glaube das eigentlich nicht, aber Gaby wirkt etwas erleichtert.
    »Wer könnte es dann gewesen sein?« Sie kneift die Augen zusammen. »Meinst du, es war Brock? Kayla hat gerade erst mit ihm Schluss gemacht. Besteht dann nicht die größte Gefahr, dass er gewalttätig wird?«
    Ich versuche mir Brock wütend vorzustellen, wütend genug, um Kayla etwas anzutun oder sie zu töten. Vielleicht verbirgt sich hinter seinem Schlafzimmerblick und seinen schlechten Schulnoten ein Funken Energie und Zorn, der nur darauf wartet, zu explodieren. Aber ich glaube eher nicht.
    »Er hätte ihr einfach nach der Schule auflauern oder am Wochenende zu ihr nach Hause gehen können«, erwidere ich. »Wieso soll er sich die Mühe machen und so tun, als würde er eine Pizza bestellen?«
    »Aus demselben Grund wie jeder andere auch«, sagt Gaby finster. »Damit sie ungestört sind, irgendwo da draußen im Niemandsland. Damit er mit ihr tun und lassen kann, was er will, ohne jegliche Zeugen.« Sie steht auf, kippt den Rest Mocca mit einem Mal herunter und knallt den Becher in den Müll. »Kommst du mit?«
    Seit vierzehn Monaten arbeite ich mit Gaby zusammen, aber heute habe ich mehr Worte mit ihr gewechselt als in all den Monaten zuvor. Und sie überrascht mich abermals.
    »Okay. Wohin?«
    »Ich will es sehen.«
    »Was?« Ich fürchte, ich weiß, was sie gleich sagt, hoffe aber, ich liege falsch.
    »Ich will es mit eigenen Augen sehen. Die Stelle, wo es passiert ist. Kommst du mit?«
    »Okay.« Ich schiebe den Stuhl zurück. In meinem Bauch erwacht eine Schlange zum Leben. Ist das wirklich eine gute Idee? Ich frage mich, ob wir die Stelle überhaupt finden werden. Bei Pete hängt eine große Karte von dem Gebiet, in dem wir Pizza ausliefern.
    Plötzlich sehe ich Kayla wieder vor mir, wie sie auf die Karte blickt und mit dem Finger eine Straße nachfährt, die am Fluss

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