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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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während der Boden am Holzschieber kleben bleibt. Noch schwieriger ist das Ganze, wenn der Ofen schon ziemlich voll ist, so wie jetzt. Man muss die Pizza irgendwie ganz nach hinten bringen, wo es am heißesten ist, und über die anderen Pizzas weiter vorne heben, die fast fertig sind. Aber an diesem Abend rutscht meine erste Pizza ohne Probleme vom Schieber. Genau wie die nächste und übernächste. Normalerweise überlasse ich es Miguel oder Drew, sich um die Pizzas zu kümmern, wenn sie erst einmal im Ofen sind, aber heute sehe ich genauso oft nach wie die anderen, steche in Blasen, rücke Pizzas, die langsam fertig werden, von hinten nach vorne. An diesem Abend machen mir weder das Gewicht des Holzschiebers noch die glühende Hitze vom Ofen etwas aus und ich verbrenne mich kein einziges Mal an der Ofentür. Alte Brandwunden zieren Miguels, Drews und Petes Handgelenke wie Armbänder.
    Die Minuten vergehen und die Arbeit wird zum Kinderspiel. Ich verliere mich darin, drehe mich um, greife nach etwas, bücke mich, verteile mit beiden Händen Belag und nicht wie sonst nur mit einer. Jeder scheint den Rhythmus zu spüren, sogar Miguel und wir bewegen uns auf engem Raum so problemlos umeinander herum, als wäre es einstudiert. Sonya tippt einen Betrag in die Kasse, stößt die Kassenlade mit der Hüfte zu und telefoniert mit einem Kunden, während sie Wechselgeld herausgibt.
    Irgendwann wird es ruhiger. Schließlich gehen Danny, Sonya und Miguel nach Hause. Danach geht Pete, der so müde ist, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten kann. Die letzten Gäste haben aufgegessen und sind gegangen. Nur Drew und ich sind noch da. Der Rhythmus ist verflogen und ich erinnere mich jetzt an die Stimmen meiner Eltern, die mich nach Drews Besuch gestern bei uns zu Hause mit Fragen gelöchert haben. Nachdem er aus dem Haus gerannt ist. Und nachdem ich gelogen und erzählt habe, Drew würde mit dem Gedanken spielen, sich auch einen Mini zu kaufen und wollte meinen Probe fahren.
    »Was will Drew später mal machen, wenn er mit der Schule fertig ist?«, fragte Mom, während sie einen Teller mit Spinatsalat füllte. Sie war besorgt, was ich daran merkte, dass sie mir den Teller einfach hinstellte, ohne zu fragen, wie viel ich wollte, als wäre ich sieben und nicht siebzehn.
    Ich schob mir etwas Salat in den Mund, bevor ich antwortete. »Weiß ich nicht genau.« Das war noch nicht einmal gelogen. Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe ihn nie gefragt.
    »Na ja, sei vorsichtig. Denk dran, dass du im Herbst fast 2000 km weit wegziehst.«
    Ich verzog das Gesicht und hoffte, die plötzliche Röte, die mir in die Wangen schoss, würde mich nicht verraten. »Es ist nicht so, wie du denkst. Drew ist nur ein Freund. Ein Arbeitskollege. Das ist alles. Wegen der Sache mit Kayla sind sich alle in der Pizzeria etwas nähergekommen.«
    Dad seufzte. »Hat man schon irgendwas gehört, ob ...«, er zögerte, vermutlich wollte er das Wort »Leiche« vermeiden, »... sie gefunden wurde?«
    »Ich weiß auch nicht mehr, als sie im Fernsehen bringen.« Jeden Abend zeigen sie dasselbe Foto von Kayla, auf dem sie vor einem Baum steht, und dasselbe Foto von ihrem Auto auf dem Parkplatz der Polizeiwache. Manchmal zeigen sie die Taucher im Fluss oder einen deutschen Schäferhund, der an einer Leine zieht, oder ihre Eltern, wie sie weinen und um Hinweise aus der Bevölkerung bitten. Obwohl es immer variiert, erfährt man doch nichts Neues.
    »Es muss schlimm sein, so gar nichts zu wissen.« Mein Dad tätschelte mir etwas unbeholfen die Hand. »Ich habe mit Wachtmeister Thayer über deine Sicherheit gesprochen.«
    »Du hast was?«
    »Natürlich habe ich das, Gaby. Ich muss doch wissen, ob du in der Pizzeria in Sicherheit bist. Er hat mir gesagt, dass sie da von ausgehen, dass Kayla den Täter kannte.«
    Mom biss von ihrem Lachs ab und pflückte sich dann vorsichtig eine Gräte, dünn wie ein Faden, von den Lippen. »War Drew mit Kayla befreundet?«
    »Was willst du damit sagen? Dass Drew gefährlich ist? Er war derjenige, der die Polizei gerufen hat!«
    Wut stieg in mir auf und es fühlte sich gut an. Es fühlte sich stark an. Endlich wusste ich, wohin mit all meinen Gefühlen.
    Doch plötzlich verflog meine Wut genauso schnell, wie sie gekommen war. Mom wirkte ehrlich entsetzt. »Natürlich nicht! Ich kann mir nur vorstellen, dass eine solche Tragödie Menschen einander näherbringt, die es normalerweise nicht wären«, sagte Mom. »Drew macht einen sehr netten

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