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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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heller Labrador mit gierigem Blick und einem zitronengelben Tennisball im Maul durch das Unterholz geschossen kam. Zwanzig Sekunden später stürzte ein älterer Mann in Joggingklamotten hinter dem Hund her. Er schrie: »Bella, komm zurück!« Er riss die Augen auf, als er bemerkte, dass er nicht alleine war. Er schrie: »Bella, komm!« und verschwand ohne ein weiteres Wort wieder im Unterholz.
    Wie auch immer, ich habe dort schon das ein oder andere Mädchen geküsst. Weil es dunkel war und man manchmal einfach jemanden zum Festhalten und Wärmen braucht, dessen Mund weich ist. Aber das ist nicht der Grund, warum ich Gaby geküsst habe.
    Beziehungsweise ihren Kuss erwidert habe.
    Genau das ist der Punkt, den ich nicht verstehe. Es war nicht meine Idee, aber als sie mich wegstieß, tat sie gerade so, als wäre es das.
    Und da ist noch etwas, etwas, das so wehtut, dass ich nicht einmal daran denken mag. Was Gaby gesagt hat, ihr Gesichtsausdruck, als ich von der Farbe des Himmels gesprochen habe.
    Nach einer Ewigkeit klingelt es und die Schule ist zu Ende. Ich hole mein Longboard aus dem Schließfach und rolle den endlosen Flur entlang. Endlich bin ich draußen, weg von den anderen, die wie Ameisen hintereinanderher marschieren. Ich lasse mein Board fallen und skate auf dem Gehweg, mache Schlenker nach links und rechts, um anderen Leuten auszuweichen. An der Kreuzung achte ich nicht auf die Ampel und fahre einfach drüber. Ich habe es so getimt, dass ich mich zwischen den Autos durchschlängeln kann. Aber eine alte Dame in einem großen kastanienbraunen Lincoln wird nervös. Statt mit konstanter Geschwindigkeit weiterzufahren, tritt sie auf die Bremse. Ich muss mich auf ihrem Kofferraum abstützen, um hinten um ihr Auto herumzukommen. Das Fahrerfenster ist offen und sie schreit: »Rowdy!«
    Aber da bin ich schon auf der anderen Straßenseite und denke nur noch an Gaby, die ich gleich bei Pete sehen werde. Wird sie überhaupt kommen? Darf ich noch ihr Auto benutzen? Was, wenn sie da ist, aber nicht mehr will, dass ich den Mini fahre? Denn ganz egal, was zwischen uns gelaufen ist, ich halte es für keine gute Idee, wenn sie - oder irgendein anderes Mädchen - jetzt Pizzas ausfährt. Pete hat zwar gesagt, dass keine Mädchen ausliefern sollen, aber er kann auch nicht rund um die Uhr arbeiten und Gaby ist stur genug, es auf ihre Weise durchzuziehen.
    Die Stimme des Täters am Telefon kommt mir wieder in den Sinn. »Sag mal, fährt das Mädchen im Mini Cooper heute Abend die Pizzas aus?« Den Bruchteil einer Sekunde schießt mir eine Erinnerung durch den Kopf, wo ich die Stimme schon einmal gehört habe. Doch sie ist weg, bevor ich sie zu fassen bekomme. Ich bin der Einzige, der mit dem Täter gesprochen hat, aber ich kann Kayla nicht helfen, wo auch immer sie jetzt ist.
    Ich gehe gerade auf den Hintereingang zu, als Gabys Autos auf den Parkplatz einbiegt. Ich sehe, wie sie aussteigt. Mein Hals fühlt sich an, als hätte ich gerade einen großen gummiartigen Batzen Mozzarella verschluckt.
    »He«, sage ich.
    Sie sieht mich kurz an und dann wieder weg. »Hör mal, was gestern passiert ist...«
    »Ich will nicht darüber reden.« Ich könnte ihre Entschuldigungen nicht ertragen. Ihr Mitleid.
    Sie berührt mein Handgelenk. Es sind 21 Grad, aber mich fröstelt. Sie zieht die Hand zurück und reibt sich die Stirn. Weil sie die Augen geschlossen hat, kann ich sie ansehen. Sie hat einen kleinen Huckel auf dem Nasenrücken.
    »Hör mal«, versucht sie es erneut, »als ich geweint habe und du mich umarmt hast, das hat sich gut angefühlt. Aber dass ich dich geküsst habe, hat mich verwirrt.«
    »Ich habe gesagt, ich will nicht darüber reden.« Ich will nicht hören, was ihr an mir nicht passt, an der Idee von uns beiden zusammen.
    Sie öffnet die Augen. »Na schön. Gestern Abend habe ich im Internet etliche Geschichten über Vermisste gelesen und wo ihre Leichen schließlich aufgetaucht sind. Ich habe versucht, mir Kayla im Fluss vorzustellen. Tot, meine ich.«
    Auch darüber will ich nicht reden. Aber ich sehe Kayla bereits flussabwärts treiben. Ihr Gesicht ein blasser Fleck unter Wasser. Ihre schwarzen Haare verschlungen wie Seetang.
    Gaby greift erneut nach meinem Handgelenk, aber dieses Mal so fest, dass ich zusammenzucke. »Sie ist nicht tot, Drew. Ich weiß, dass sie es nicht ist.«
    »Du bist hier doch die Schlaue«, sage ich. Ich muss nicht extra noch dazusagen »nicht ich«, ich weiß, dass sie sich das denken kann. »Du

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