Du lebst, solange ich es will
Tag
DREW
Gabys Mini Cooper stand nicht auf dem Schulparkplatz. Ich frage mich, ob sie sich bei der Arbeit blicken lässt?
Doch als ich den Pausenraum betrete, ist sie da und schiebt ihre Handtasche gerade in ein Fach. Sie sieht blass aus.
»He, Gaby«. Meine Hände fühlen sich komisch an, wie sie so leer an den Armen herabhängen. »Wie geht’s?« Vor ein paar Stunden wusste ich noch genau, was ich tun musste. Jetzt weiß ich überhaupt nichts mehr. Soll ich sie auf die Wange küssen? Auf sie zustürmen? Ihr auf die Schulter klopfen? Sie umarmen?
»Nicht so gut.« Sie nimmt sich eine saubere schwarze Schürze von dem Stapel.
Ich versuche sie aufzuheitern. »Ich hätte dir sagen sollen, dass es wahrscheinlich keine gute Idee ist, so viel Kahlua zu trinken. Koffein, Zucker, Alkohol und ein paar Zusatzstoffe können einem ganz schön zusetzen.« Ich ziehe mir die Schürze über den Kopf.
»Tja, also, tut mir leid, dass ich so neben der Spur und so aufdringlich war.«
Sie sieht mir nicht in die Augen.
Ich strecke die Hand aus und berühre sie an der Schulter. »Mir hat es nichts ausgemacht.«
Sie presst die Lippen aufeinander und sagt dann: »Ich hätte mich sonst nie so verhalten.«
Es fühlt sich an wie ein Tritt in die Magengrube. Meine Hand gleitet von ihrer Schulter. Was will sie damit sagen? Dass wir uns nicht geküsst hätten, und zwar so sehr, dass meine Lippen noch immer brennen, wäre sie nicht betrunken gewesen?
Sie schaut mich nur flüchtig an, dann wendet sie sich ab. Sie geht direkt zum Tresen, auch wenn dort niemand steht, der etwas bestellen möchte. Ich schnappe mir einen Bestellzettel von der Drehscheibe, schließe mich Pete und Miguel an und mache Pizzas. Dabei beobachte ich Gaby weiter aus dem Augenwinkel.
Auf einmal ist die ganze Sache total verkorkst. Am liebsten würde ich in ihrem Zimmer sein und ihr beim Schlafen zusehen. Ihre Unterlippe ist so unglaublich voll, sie sieht wie ein Kissen aus. Ihre Wimpern heben sich dunkel von den Wangen ab.
Na schön, vielleicht würde ich auch gerne noch ein paar andere Sachen machen, als ihr nur beim Schlafen zuzusehen.
Aber so ein Gefühl hatte ich noch nie. Weder bei Kayla noch bei einem der Mädchen im Park noch bei irgendjemand anderem. In Gabys Nähe fühle ich mich wie gehäutet. Als würden alle Nerven freiliegen.
Und jetzt tun sie nur noch weh.
Aber egal wie schlecht es mir geht oder wie durcheinander ich bin, ich muss Pete sagen, dass es zu riskant ist, wenn nur zwei Leute arbeiten. Sobald die Pizzas im Ofen sind, frage ich ihn, ob er kurz Zeit hat.
Ich folge ihm ins Büro.
»Worum geht’s?« Er fährt sich mit dem Zeigefinger über den Schnauzbart. Er ist so dicht, dass er unecht aussieht.
Ich erinnere mich daran, wie Gaby aufgetreten ist, als sie mit ihm gesprochen hat, und versuche genauso selbstbewusst zu wirken. »Wir müssen abends unbedingt zu dritt sein, damit keiner allein in der Pizzeria ist, während der andere Pizzas ausfährt.«
»Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen.« Pete seufzt. »Aber ich weiß einfach nicht, wie ich das machen soll. Meine Gewinnspanne ist so schon dünn wie eine Rasierklinge. Allein der Preis für Käse ist im letzten Jahr um dreißig Prozent gestiegen.« Er legt den Finger auf den Taschenrechner, als wollte er die Kosten ausrechnen.
»Vielleicht können Sie die Preise etwas anheben. Das Geschäft läuft gut, oder?«
»Ja, es läuft gut. Aber aus den falschen Gründen.« Er schüttelt den Kopf. »Die Leute kommen her, um über Kayla zu reden, um zu sehen, wo sie gearbeitet hat, um zu rätseln, was mit ihr passiert ist.«
»Dann lassen Sie sie für das Privileg bezahlen. Ich finde nur, es ist zu gefährlich, wenn einer allein in der Pizzeria bleibt, während der andere ausliefert. Als ich letzte Nacht unterwegs gewesen bin, ist irgendein Verrückter zu Gaby an den Tresen gekommen und hat behauptet, man würde versuchen, ihm den Mord an Kayla anzuhängen.«
»Im Ernst?« Pete reißt die Augen auf. »Habt ihr die Polizei gerufen?«
Mir wird klar, dass wir das vielleicht hätten tun sollen. »Wir haben darüber geredet. Als ich zurückkam, war der Typ noch da. Kaum hat er mich gesehen, ist er auch schon abgehauen. Er wirkte eigentlich nur wie ein armer Irrer.«
Pete wühlt in der Schreibtischschublade. »Ob dieser Typ etwas mit der Sache zu tun hat oder nicht, hast meiner Meinung nach nicht du zu entscheiden. Dafür gibt es die Polizei.« Er holt eine Visitenkarte aus der
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