Du lebst, solange ich es will
sie entführt, hat sie unter Kontrolle und kann mit ihr tun und lassen, was er will.
Früher mochte ich immer Filme mit solchen Handlungen. Na ja, ich mochte sie nicht, aber ich habe sie mit meiner Mutter auf DVD gesehen, wenn sie sie aus der Videothek neben dem Supermarkt mit nach Hause gebracht hat. Slasher-Filme mit geheimen, unterirdischen Folterkammern. Handschellen, Knebeln und Ketten. Blut spritzt an die Wände, manchmal in Zeitlupe. Der fantasievolle Einsatz eines Bolzenschussgeräts, einer rostigen Säge oder eines glänzenden Skalpells.
Aber wenn es kein Film ist? Wenn es nicht nur gespielt ist? Wenn man nicht auf die Fernbedienung drücken kann und alles aufhört? Wenn es wirklich Kaylas blasse Haut ist, Kaylas Blut?
Dann wäre es vielleicht besser, sie wäre tot und im Fluss.
NOTRUFAUFZEICHNUNG
Notrufzentrale: Notrufstelle. Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen?
Cody Renfrew: Ähm, Selbstmord.
Notrufzentrale: Verzeihung?
Cody Renfrew: Ich möchte einen, einen Selbstmord melden.
Notrufzentrale: Wessen Selbstmord möchten Sie melden?
Cody Renfrew: Ähm, meinen.
Notrufzentrale: Moment... Moment... Moment, bleiben Sie am Telefon. Wir schicken jemanden, der Ihnen hilft. Hallo? Hallo?
Notrufzentrale: Mann droht mit Selbstmord. 3707 NW Hazelfern.
Polizeifunk: (unverständlich)... Verstanden.
Notrufzentrale: Hallo? Ich versuche jemand zu Ihnen zu schicken, der Ihnen hilft. Bitte, bewahren Sie die Ruhe. Jemand wird in ein paar Minuten bei Ihnen sein und Ihnen helfen.
Polizeifunk: (Sirenen)
Cody Renfrew: (Pistolenschuss)
Notrufzentrale: Einsatzzentrale, bitte eine Einheit zum 3707 NW Hazelfern.
TATVERDÄCHTIGER BEGEHT SELBSTMORD WÄHREND TELEFONATS MIT NOTRUFZENTRALE
PORTLAND. Ein Einzelgänger. Als solcher galt Cody Renfrew.
Ein psychiatrischer Betreuer sprach vertraulich über Renfrews Wandlung von einem hochgradig Drogenabhängigen zu einem Mann, der sich ernsthaft um einen Neuanfang bemühte. Aber es war eine Wandlung, die offenbar mit einer Mordtat endete.
Nach zwei Jahren Drogen- und Alkoholmissbrauch bekam Renfrew, 21, laut Aussage eines Betreuers sein Leben langsam wieder in den Griff, nachdem er vor einem Jahr in einer Klinik Hilfe gesucht hatte. Renfrew bemühte sich sogar um eine Zulassung als Drogenberater.
Doch der Betreuer gab auch zu Protokoll, bei Renfrew wären Anzeichen von Wahnvorstellungen erkennbar gewesen, so dachte er beispielsweise manchmal, andere könnten seine Gedanken lesen.
Als Renfrews Zustand immer stabiler wurde, erkannte er seine inneren Dämonen und lernte mit ihnen umzugehen, so der Klinikangestellte. Allmählich und im Zuge seiner Genesung wandelte sich sein Äußeres von einem einst unordentlichen zu einem ansehnlicheren Erscheinungsbild. Laut Betreuer gelang es Renfrew, seine Wahnvorstellungen unter Kontrolle zu halten und zwischen der Realität und der Fantasiewelt, in die ihn seine Krankheit manchmal stürzte, zu unterscheiden.
Allerdings erlitt Renfrew einen heftigen Rückschlag, als er aufgrund der Wirtschaftskrise seinen Job als Hotelportier verlor, den er erst vor ein paar Monaten angetreten hatte. Laut seiner Familie begann Renfrew vor lauter Frustration wieder Meth zu nehmen und seine inneren Dämonen kehrten zurück. Paranoid und wütend sprach er vom schnellen Geld und davon, eine Bank zu überfallen.
Die Polizei vermutet, dass Renfrew beschlossen hat, klein anzufangen und einen Pizzaservice auszurauben und den Fahrer eventuell zu entführen. Vor zehn Tagen brach die siebzehnjährige Kayla Cutler von Pete’s Pizza auf, um Pizzas an eine Adresse zu liefern, die sich später als falsch herausstellte. Sie kam nie zurück. Ihr Auto wurde später mit geöffneter Fahrertür gefunden. Am Ufer des nahe gelegenen Willamette Rivers stieß die Polizei auf Zeichen einer gewaltsamen Auseinandersetzung, darunter ein Stein mit Blutspuren von Kayla. Die Polizei geht davon aus, dass Kayla im Fluss endete, der aufgrund der Schneeschmelze und der starken Regenfälle in der letzten Zeit viel Wasser führt und ihre Leiche bis zum Meer hinausgetragen haben könnte.
Ein Anwohner informierte die Polizei, dass er Renfrews Lieferwagen in der Gegend gesehen hatte und Renfrew gestand, an dem Abend dort gewesen zu sein. Die Familie engagierte eine Hellseherin, die sich mit Renfrew traf und ihn dazu aufforderte, zu sagen, was er weiß. Doch stattdessen schoss sich Renfrew eine Kugel in den Kopf, während er mit der Notrufzentrale telefonierte. In seiner
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