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Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Titel: Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina L'Habitant
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dass das doch ein ideales Vortragsstück für den nächsten Empfang der neuen Schüler sei. Aber ich kann leider kein Türkisch – deshalb wendete ich mich an zwei türkische Schülerinnen, eine schüchterner als die andere. Ich bat sie, anhand des Films die Strophen aufzuschreiben und mit mir einzustudieren. Nach viel Überzeugungsarbeit rückte ich eines Tages in der Mittagspause mit Laptop im Gepäck zum Arbeitstreffen an. Geduldig spielte ich Schritt für Schritt den Film ab und die beiden Schülerinnen setzten Satz für Satz die türkische Version zusammen. Es kostete die beiden eine riesige Überwindung, die Führung in dieser Arbeitsatmosphäre zu übernehmen und mir über
»Stopp« und »Weiter« mitzuteilen, wann ich den Film unterbrechen sollte. Es war für sie eine sehr ungewöhnliche Erfahrung, dass ich als die Lehrkraft in die lernende Rolle schlüpfte und die beiden auf einmal die Orientierung und das Wissen vorgaben. Nachdem wir endlich den Text vorliegen hatten, ging es ans Einstudieren. Hier konnte ich natürlich mein musikalisches Wissen einbringen, aber das war es dann auch schon. Ich musste mich komplett in den Sprachrhythmus einfühlen und die Worte der Musik anpassen. Wir hatten bestimmt zwei Stunden damit verbracht, das Musikstückzur Aufführungsreife zu bringen. Unentwegt mussten die Mädchen mir den Text vorsingen, damit ich auch nur annähernd eine rhythmische Vorstellung entwickeln konnte. Wir vereinbarten dann, dass sie mit ihren türkischen Mitschülern das Lied einstudieren.
    Wir haben einen tollen Auftritt gehabt, der nur gelingen konnte, weil zwei Schülerinnen mit ihrem Wissen mich an die Hand nahmen. Ich hätte es ohne sie nicht geschafft, ich habe sie wirklich gebraucht. Und wie wirkte sich die Erfahrung auf die Mädchen aus? Sie erzählten mir freudestrahlend, ihre Eltern hätten gesagt, sie hätten sie erstmals selbstbewusst und fröhlich auf der Bühne wahrgenommen. Kann es ein schöneres Ergebnis geben?
    Immer dann, wenn Lernen zu einer Win-Win-Situation für beide Seiten wird, entsteht etwas wahrhaft Gutes. Lassen wir also häufiger einmal aus Schülern Lehrer werden und aus Lehrern Schüler. Davon profitieren beide Seiten ungemein. Lernen gelingt, wenn man in Distanz zu sich tritt. Das erst ermöglicht den offenen und souveränen Blick, sich auf Neues einzulassen. Wenn der Schüler erfahren kann, dass er nicht nur zur Schule geht, weil er unvollkommen ist und lernen muss, sondern dass er wirklich gebraucht wird und der Lehrer durch ihn ebenfalls
für sich selbst eine Lebensbereicherung erfährt, dann entsteht Kreativität im Überfluss. Finden Sie nicht auch, dass das unbedingt Schule machen sollte?
    Der Mensch wird am Du zum Ich.
    (Martin Buber)
    Ganz konkret: So könnte Unterricht in der idealen Schule aussehen
    In der Schule wird das Wissen nach Fächern getrennt vermittelt. Dabei müssen Schüler heute mehr denn je lernen, Zusammenhänge herzustellen. Das kann nur geschehen, wenn Unterrichtsstoff fachübergreifend vernetzt wird.
    Ein Beispiel für einen solch vernetzten Unterricht in der fünften Klassenstufe wäre das folgende: Die Deutschlehrerin nimmt in Anlehnung an den Lehrplan das Thema »Märchen« durch. Sie hat sich für das afrikanische Märchen »Der Löwe und der alte, listige Hase« entschieden. In dem Märchen überlistet der Hase den Löwen, der seinem eigenen Spiegelbild im Wasser zum Opfer fällt. Ein Aspekt wäre nun, dass sich von diesem Märchen aus wunderbar Bezüge zum Leben herstellen lassen. Man kann darüber nachdenken, ob Menschen in ihrem Alltag in ähnliche Situationen geraten könnten und welche Lösungsmöglichkeiten sich ihnen dann böten. Die Schüler könnten sich auch in der Präsentationskunst üben, indem sie als Märchenerzähler auftreten. Durch eine sich anschließende Feedbackrunde könnten sie dann außerdem lernen, wie man einander Feedback gibt und konstruktive Kritik übt. Ref 46
    Von diesem Märchen ausgehend lassen sich optimal Verknüpfungen zu anderen Themen und Fächern herstellen. Etwa zu Erdkunde: Wo leben die Löwen? Wie leben dort die Mensehen?
Zum Musikunterricht: Welchen Stellenwert hat Musik in diesem Land? Dazu könnten die Rhythmusinstrumente und Trommeln eingeführt und eine tolle Percussion gespielt werden. Ebenso gut zu Mathematik: Über das Spiegelbild im Wasser und das Spiegeln könnten die Schüler wunderbar an das Thema Symmetrie herangeführt werden. Mit Spiegelkacheln aus dem Baumarkt könnten sie auf

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