Du machst, was ich will: Wie Sie bekommen, was Sie wollen - ein Ex-Lobbyist verrät die besten Tricks (German Edition)
hatte der Veranstaltung den griffigen Titel »Between Culture and Commerce« gegeben. »Commerce«, das waren die Interessen der Wirtschaft. Ging es allen anderen wirklich einfach um »culture«? Was genau war das und stand es wirklich so stark im Gegensatz zum Kommerz, wie es klang?
Darüber wurde nicht viel gesprochen und darüber machten sich die meisten auch nicht viele Gedanken. Jeder reiste mit seinen eigenen »Forderungen« in der Tasche an. Die galt es »durchzusetzen«. Da konnte man sich nicht auch noch dafür interessieren, was die anderen alle jeweils wollten.
Das primäre Instrument des Lobbyisten sind seine Worte, jedenfalls offiziell: Er artikuliert die Interessen seines Unternehmens oder seiner Branche, mündlich und schriftlich. Schriftlich in offiziellen Stellungnahmen oder Briefen, die er an Ministerien und Abgeordnete schickt. Mündlich in offiziellen Anhörungen vor Ministerialbeamten und in den Ausschusssitzungen der Parlamente – aber auch in Einzelgesprächen mit allen, die etwas zu entscheiden haben.
Obwohl die Sachargumente nie entscheidend sind, gehören sie zum Theaternebel drum herum, zur »öffentlichen Debatte«, die alle haben wollen, weil sie zum sogenannten demokratischen Prozess dazugehört. Die »öffentliche Debatte« ist also eher Schaulaufen und Öffentlichkeitsarbeit als echte Überzeugungsarbeit. Aber Schaulaufen und Öffentlichkeitsarbeit gehören eben dazu in einem »demokratischen Prozess«. Und dieses Spiel spielen alle erst einmal mit.
Auch auf diesem Red Eye Flight hatte ich daher eine Stellungnahme dabei – ein »Positionspapier«, 24 Seiten stark. Darin legten wir detailliert unsere Argumente gegen die geplanten Regelungen dar und zeigten Alternativen auf. Schön formatiert war es auch, unser Positionspapier. Wir hatten es bereits auf unserer Internetseite veröffentlicht, wie so ziemlich alle unsere Positionspapiere. Selbst viele Unternehmen haben inzwischen eigene Internetseiten, auf denen sie ihre politischen Standpunkte veröffentlichen. Wofür welche Lobbyisten kämpfen, ist meist weder geheim noch überraschend.
Ich hatte es geschafft, einen Sitzplatz neben einem wichtigen Ministerialbeamten zu ergattern. Wir redeten ein bisschen übers Wetter, über Liverpool, über Flugzeuge. Small Talk. Ich wartete auf den besten Moment, mein Positionspapier aus der Tasche zu ziehen und es ihm persönlich zu überreichen.
Doch plötzlich holte er selbst einen Stapel Positionspapiere aus seiner Tasche. Er hatte sich Arbeit mit auf den Flug genommen – Papiere anderer Interessengruppen, die er lesen wollte. So dachte ich. Aber er überflog sie nur schnell, seine Laune wurde dabei immer schlechter.
Schließlich polterte er los: »Was bilden sich die Leute eigentlich ein, mir meine Zeit mit zigseitigen Stellungnahmen zu stehlen? Mir haarklein darzulegen, was genau ihr Problem ist und was ich für sie tun soll? Warum sollte mich das interessieren? Ich bin da, um meine Arbeit zu machen, nicht um fremde Wünsche zu erfüllen.«
Ich beschloss an diesem Morgen mit roten Augen, mein Positionspapier in der Tasche zu lassen. Er steckte seine auch wieder weg.
Wir redeten weiter über Flugzeuge.
Im ersten Kapitel haben wir gesehen: Manche Einstellungen lassen sich durchaus durch Argumente verändern – nämlich solche, die durch Argumente entstanden sind, also über die kognitive Komponente. Und die kognitive Komponente ist hauptsächlich aktiv, wenn jemand ganz konkret von einem Thema betroffen ist, wenn es also um persönliche Auswirkungen für ihn selbst geht. Die Lobbyisten nennen solche Zielpersonen »Stakeholder«: »To be at stake« heißt »auf dem Spiel stehen«.
So entscheiden Sie, wann Argumente wirken
So zeigen Experimente: Bei einer Frage wie »Welchen Fernseher soll ich mir kaufen?« ist die kognitive Komponente viel stärker aktiv als bei einer Frage wie »Welche Partei soll ich wählen?«.
Nun stellen Sie sich vor, Sie wollen einen Fernseher kaufen. Sie laufen durch einen Elektronikmarkt. Plötzlich spricht Sie ein Verkäufer an: »Bitte kaufen Sie diesen Fernseher hier. Ich bekomme dafür die höchste Provision und ich muss doch Unterhalt an meine geschiedene Frau und die zwei Kinder zahlen. Außerdem muss auch der Hersteller seinen Umsatz für dieses Quartal noch ein bisschen aufpolieren, genauer gesagt um mindestens zwölf Prozent, sonst kriegt der Vorstand mächtig Ärger. Schauen Sie sich nur hier die Umsatzprognosen an. Wahrscheinlich müssen dort
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