Du Mich Auch
wollte sofort ein Beratungshonorar, sonst hätte er gar nicht mit mir gesprochen. Also musste ich den Tresor plündern. Und da seine Praxis hoffnungslos überfüllt ist, hatte er nur ein paar Minuten am Abend für mich. Es war doch nicht meine Idee, in so ein teures Restaurant zu gehen. Schließlich müssen wir sparen.«
Sie wartete einen Moment. Das Stichwort »sparen« kam gut an. Werner wirkte schon nicht mehr ganz so wütend.
»Ich habe auch gar nichts gegessen«, beteuerte Evi. »Nur ein Wasser getrunken. Und was soll ich sagen? Er wird dichuntersuchen, er wird dich wieder gesund machen, ganz bestimmt.«
»Und dafür brauchtest du Sexklamotten, haahaa«, höhnte Werner.
»Die waren doch für dich«, sagte Evi leise. »Erinnerst du dich noch, dass ich sagte, wir sollten mal etwas Neues ausprobieren?«
Überrascht starrte Werner seine Frau an. »Was Neues«, wiederholte er ungläubig.
»So komm doch endlich zur Vernunft«, heulte Evi. »Du siehst Gespenster. Seien wir ehrlich: Die vergangenen Tage waren furchtbar für dich. Wir hätten längst einen Arzt holen sollen. Wenn du willst, mache ich gleich morgen einen Termin. Und sobald du wieder fit bist, führe ich dir die neue Wäsche vor.«
Man sah, wie Werner mit sich rang. Er hatte sichtlich Mühe, die unerwarteten Neuigkeiten zu verdauen.
Evi bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. »Ich wüsste gar nicht, was ich ohne dich tun sollte«, wimmerte sie. »Dieser Arzt ist meine letzte Hoffnung. Bitte, bitte, lass dich untersuchen. Wenn du es nicht für mich tust, dann tu es wenigstens für die Kinder.«
Noch immer fand Werner keine Antwort. Evi erhob sich und machte einen Schritt auf ihn zu.
»Ich verzeihe dir«, flüsterte sie. »Wir werden einfach vergessen, was für fürchterliche Dinge du eben gesagt hast. Ich weiß, dass du es nicht so meinst. Wollen wir nicht einfach ein Glas Wein zusammen trinken und noch einmal von vorn beginnen? Ja, Schnuffelbär?«
Unschlüssig kritzelte Werner auf einem Blatt Papier herum. Doch Evi kannte den Anflug von schlechtem Gewissen aufseinem Gesicht. Diesen verlegenen Zug um den Mund, den Kinder haben, wenn sie bei einem Streich ertappt werden. Weder das geänderte Testament noch seine Scheidungspläne hatte er mit einem Wort erwähnt. Offenbar wollte er sie in Ahnungslosigkeit belassen, um dann umso heftiger zuzuschlagen.
Mir bleiben nur noch wenige Tage, überlegte Evi. Sie ging in die Küche, öffnete eine Flasche Rotwein und holte zwei Gläser aus dem Küchenschrank. Diesmal nahm sie das stärkste Schlafmittel, das sie besaß. Ein Knaller, für die ganz schweren Fälle. Dann kehrte sie mit den beiden Gläsern ins Arbeitszimmer zurück.
Werner saß noch immer unbeweglich am Schreibtisch und brütete vor sich hin. Evi reichte ihm ein Glas, das richtige natürlich, und hob ihr eigenes.
»Prost, mein Liebling, alles wird gut.«
»Na jaaa«, grunzte Werner verlegen.
Für seine Verhältnisse war das eine wortreiche Entschuldigung. Er griff zu dem Glas und stand schwerfällig auf. Evi schmiegte sich an ihn.
»Auf die Gesundheit«, sagte sie. »Selbstverständlich komme ich mit zu dem Arzttermin. Nichts könnte mich glücklicher machen, als wenn du zu deiner alten Stärke zurückfindest. Und zu deiner Manneskraft.«
»Klingt gar nicht so schlecht«, erwiderte Werner und trank den Wein in einem Zug aus. »Von mir aus kannst du die geilen Strapse sofort anziehen.«
»Wie du willst«, nickte Evi.
Sie begleitete ihn zum zerwühlten Ehebett und verbrachte ein paar Minuten im Bad, wo sie ein Stoßgebet nach dem anderen losschickte. Als sie Werners vertraute Schnarchtöne hörte, schleppte sie sich ins Gästezimmer.
Der nächste Tag war kalt und grau. Evi fröstelte. Sie hatte kaum ein Auge zugetan in der vergangenen Nacht. Immer wieder sah sie Werner vor sich. Seinen bösartigen Blick. Die verschlagene Hinterhältigkeit, mit der er ihr die entscheidenden Dinge vorenthielt. Er plante ihre Vernichtung. Und sagte ihr kein Sterbenswörtchen davon. So sah es aus. So stellte er sich das Ende dieser ruhmlosen Ehe vor. Und das, nachdem sie ihm zwei Jahrzehnte lang gedient hatte wie eine ergebene Sklavin.
Die Jungen waren schon in der Schule. Frierend ging Evi in die Küche und kochte heiße Schokolade. Sie trank das süße Zeug in kleinen Schlucken. Dann stellte sie ihre Tasse in die Spülmaschine und ging nach oben, um Werner zu wecken. Jetzt hing alles von den nächsten Stunden ab.
Kurz vor Mittag standen sie vor dem
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