Du Mich Auch
bestätigteEvi. Sie machte einen Schmollmund. »Aber nichts gegen die gutbürgerliche Küche.«
»Seine Galle ist aufgebläht wie ein Luftballon. So viel zur gutbürgerlichen Küche«, befand Robert ungerührt. »Ich sehe mal, ob ich kurzfristig ein Bett für ihn organisieren kann. Wird aber teuer.«
»Geld spielt keine Rolex«, warf Beatrice ein.
Evi nickte. »Daran soll es in der Tat nicht scheitern. Wäre das nicht wundervoll? Ich hätte freie Bahn, und du hättest einen Patienten für deine Doktorarbeit.«
»Klassische Win-win-Situation«, bestätigte Beatrice. Sie schob den Kaffeebecher von sich. »Tja, ich muss los. Das war bei weitem die amüsanteste Mittagspause, die ich je erlebt habe. Äh, Robert?«
»Ja?«
»Darf ich die Schwesternuniform behalten?«
»Wieso das denn?«, fragte Evi.
Beatrice leckte sich die Lippen. »Ist ziemlich scharf, das Teil.«
Seit Ewigkeiten hatten Evi und Beatrice keine Schule mehr betreten. Obwohl sie sich einen damenhaften Look verpasst hatten, dunkle Kostüme mit züchtigen Rocklängen, fühlten sie sich auf der Stelle wieder wie Schülerinnen. Erwartungsvoll sahen sie zur Bühne der Aula, wo ein paar verängstigte Kinder mit Blasinstrumenten Platz nahmen.
Die Stuhlreihen waren gefüllt mit seriös dreinblickenden Gästen und ein paar zappelnden Kindern. Katharina und ihr Minister saßen mit unbeweglichem Gesicht in der ersten Reihe der grünlich getünchten Schulaula. Die große, karge Bühne war mit bunten Girlanden geschmückt, unter denendie Blaskapelle noch verlorener wirkte. Was sie von sich gab, sollte offenbar so etwas wie »Oh When the Saints Go Marchin’ In« werden. In Evis Ohren klang das Stück wie der Soundtrack zum höllischen Inferno.
»Dem Minister sieht man echt nicht an, dass er morgens um fünf durch fremde Betten pflügt«, flüsterte Beatrice. »So ein Backpfeifengesicht aber auch. Voll Panne, der Mann.«
»Leise«, warnte Evi ihre Freundin. Sie saßen in der zweiten Reihe, direkt hinter den Ehrengästen.
»Bei dem Krach hört man sowieso nichts«, beruhigte Beatrice ihre Freundin. »Und Wernerchen?«
»Liegt brav im Bettchen«, flüsterte Evi. »Der terrorisiert jetzt zur Abwechslung mal die Krankenschwestern. Robert hat alles im Griff.«
Beatrice kicherte. »Der Arzt, dem die Frauen vertrauen. Und er war wirklich in Werners« – sie schluckte ergriffen – »Allerheiligstem?«
Evi nickte zufrieden, während sich ihr Gesicht zu einem breiten Lächeln verzog. Rache war etwas Wunderbares.
Die lautstarke Darbietung der Schülerband steigerte sich zu einem Tusch. Nach dem Applaus betrat Katharina mit festen Schritten die Bühne. Ihr schwarzer Hosenanzug saß tadellos, ihre grauseidene Schluppenbluse war akkurat gebügelt. Nur ihr blankgeschrubbtes Gesicht wirkte eine Spur zu blass, wie Evi fand.
»Vielen Dank für diese ansprechende musikalische Begrüßung«, sagte Katharina und rückte ihre randlose Brille zurecht. »Es ist mir eine außerordentliche Freude, Sie zur Einweihung der Europaschule Albert Einstein willkommen zu heißen, auch im Namen unseres Familienministers Dr. Horst Hoffner, der im Anschluss zu Ihnen sprechen wird.«
Sie sah in die erste Reihe, zum Herrn Minister, der auf seinem Handy herumtippte.
»Kinder sind unsere Zukunft!«, verkündete sie. »Kinder sind unser ganzer Stolz, Kinder sind unsere Hoffung und unsere Freude.«
Der Minister hörte auf zu tippen.
»Ohne Kinder sind wir verloren«, fuhr Katharina fort.
»Sie spricht von sich«, raunte Evi.
»Und er hat Fracksausen«, sagte Beatrice leise. Sie deutete auf den Politiker, der plötzlich aussah, als hätte er auf etwas Bitteres gebissen.
»Katharina ist seelisch an der Kante«, wisperte Evi aufgeregt. »Himmel noch mal, sie macht ihm öffentlich eine Szene!«
Währenddessen redete Katharina sich in Rage. »Wer sich gegen Kinder entscheidet, entscheidet sich gegen das Leben«, schrie sie mit sich überschlagender Stimme ins Mikrophon.
Wie schockgefroren saß der Minister da. Dann steckte er das Handy in die Hosentasche und begann zu klatschen. Keine Frage, er zog die Notbremse, um Schlimmeres zu verhindern.
»Bravo!«, rief er. »Braaavooo!«
Das Publikum fiel tröpfelnd in den Applaus ein. Eilig erhob sich der Familienminister, kletterte auf die Bühne und fasste Katharina am Arm, die mittlerweile weiß wie die Wand war.
»Meine Damen und Herren«, sagte er, »ich bin stolz, Frau Dr. Severin in meinem engagierten Team zu wissen!« Unsanft schob er
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