Du Mich Auch
dieser Kerl unter »Aktendurchgehen« verstand.
»Wie sollte ich das vergessen«, flötete Katharina.
Zaudernd stand der Minister da. Es war klar, dass er den zweifellos jungen und angeblich talentierten Journalisten nur zu gern unangespitzt in den Boden gerammt hätte. Dann streckte er erst Evi und anschließend Beatrice die Hand hin.
»Auf gute Zusammenarbeit, die Damen. Wir können wirklich Verstärkung gebrauchen. Die Personaldecke meines Ressorts ist ausgesprochen dünn. Man sieht sich.«
Den Journalisten, der ihn so schmählich übergangen hatte, würdigte er keines Blicks. Schweigend sahen sie ihm nach, wie er in Begleitung von gleich vier bulligen Bodyguards Richtung Ausgang verschwand.
»Beeindruckend, der Herr Minister«, grinste Ralf Blumencron. »Mal im Ernst, Frau Dr. Severin: Wie halten Sie es mit diesem aufgeblasenen Wichtigheimer aus?«
Katharina lächelte fein. »Bestens. Er ist hochkompetent, ein glänzender Redner und verfügt über einen bemerkenswerten politischen Instinkt.« Sie zögerte. »Vielleicht ist er ein wenig, nun ja, unausgeglichen, um nicht zu sagen … sozial labil.«
Evi und Beatrice erstarrten. Das war eine Spur, die Katharina auslegte! Das war die Einstiegsdroge für den Pressemann! Sie erlebten soeben, wie eine Intrige der Extraklasse ihren Anfang nahm.
Überrascht sah Ralf Blumencron Katharina an. »Habe ich richtig gehört? Sozial labil?«
»Oh, das ist nichts Ungewöhnliches in unserem Beruf. Wir führen eine Existenz der Pflicht und des Verzichts, weit weg von Freunden und Familie. Das wird gerade für männliche Politiker zuweilen zum Problem. Aber nichts, worüber Sie sich ernsthaft Sorgen machen müssten.«
Nachdenklich schweifte der Blick des Journalisten über Katharinas dürre Figur. »Und Sie, Frau Staatssekretärin? Führen Sie auch eine Existenz der Pflicht und des Verzichts?« Seine Frage klang herausfordernd, fast sogar ein wenig flirtig.
»Ich fürchte, ja«, erwiderte Katharina. »Aber das kann sich ja noch ändern. Wo wird das Interview eigentlich stattfinden?«
Ralf Blumencron musste nicht lange überlegen. »Ich dachte an das Foyer des Grand Hotels. Dort ist es um diese Uhrzeit ruhig. Und einen anständigen Drink bekommt man da auch. Den haben Sie sich verdient nach einem langen, harten Arbeitstag, finden Sie nicht auch?«
Fangfrage, durchzuckte es Evi. Jetzt bloß keinen Fehler machen!
Doch Katharina reagierte souverän. »Ich muss Sie leider enttäuschen, ich trinke keinen Alkohol. Und Sie haben doch bestimmt nichts dagegen, wenn meine Mitarbeiterinnen mich begleiten?«
Kapitel 10
Das Foyer des Grand Hotels war eingerichtet, wie man sich in den Achtzigern die große, weite Welt vorstellte. Um eine spektakuläre Freitreppe mit einem weißen, schmiedeeisernen Geländer waren wuchtige Sessel und Couchen in Kürbisgelb gruppiert. Schwere Messingkandelaber verbreiteten ein diffuses Licht. Überall standen Palmenkübel herum, in der Ecke klimperte ein Barpianist Evergreens.
»Was ’ne vergurkte Hollywood-Hütte«, flüsterte Beatrice. »Den Designer müsste man verklagen.«
Ralf Blumencron zeigte auf eine Sesselgruppe im hintersten Winkel der Lobby. »Das wäre doch ein lauschiges Plätzchen für die drei Grazien, nicht wahr?«
Katharina zuckte mit den Schultern. »Wie Sie wollen.«
Die Freundinnen nahmen nebeneinander auf der Couch Platz, während sich Ralf Blumencron in einen Sessel gegenüber warf. Er packte sein Smartphone aus, legte es auf den niedrigen Couchtisch und drückte eine Taste.
»Und das kleine Ding nimmt jetzt alles auf?«, erkundigte sich Evi interessiert.
»Jedes Wort. Ich dachte an ein knackiges Porträt für unsere Sonntagsausgabe«, erklärte er. »Die Backstory der erfolgreichen Politikerin. Wie sie wurde, was sie ist. Und wohin sie will. An die Spitze, nehme ich an?«
Abweisend verschränkte Katharina die Arme. »Nun, ich richte meine Aufgaben streng inhaltlich aus. Ich will den Menschen dienen.«
»Auweia, Sie bestehen wirklich nur aus Pflichtgefühl«, erwiderteBlumencron gelangweilt. »Dabei wären Sie bei Ihrem überragenden Talent doch besser auf einem höheren Posten aufgehoben, stimmt’s?«
Vorsicht. Der legt ihr Sachen in den Mund, die man gegen sie verwenden kann, dachte Evi. Hoffentlich hat er keine Seele, schwarz wie Druckerschwärze. Doch Katharina zurrte nur ihren Dutt fest und schwieg. Evi bewunderte sie dafür, wie nonchalant sie den Typen abblitzen ließ. Sie beherrschte das heikle Spiel
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