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Du Mich Auch

Du Mich Auch

Titel: Du Mich Auch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Berg
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offenbar ziemlich perfekt.
    »Nun, dann wenden wir uns eben Ihrem persönlichen Hintergrund zu. Erzählen Sie von Ihren Eltern«, forderte der Journalist Katharina auf. »Sie sehen ja immer aus, als wären Sie mit einem silbernen Kaviarlöffelchen im Mund geboren.«
    Auf der Stelle wurde Katharina nervös. Evi und Beatrice spürten es sofort. Wenn es etwas gab, wofür Katharina sich schämte, dann war es ihre Herkunft. Zerstreut spielte sie mit den Manschetten ihrer Bluse.
    »Mein Vater ist in leitender Funktion in der Baubranche beschäftigt«, sagte sie schließlich mit gezwungenem Lächeln.
    Evi stutzte. Das mit der Baubranche stimmte. Aber leitende Funktion? Hatte Katharina etwa vor, ihre Eltern zu verleugnen? Den Vater, der Maurer war, und die Mutter, die putzen ging? Intuitiv ahnte Evi, dass dieser smarte Interviewer nur darauf wartete, seine eigenen Recherchen anzustellen, um Katharina als Hochstaplerin zu entlarven.
    »Ah, ja – und was macht er da genau?«, hakte Ralf Blumencron nach.
    Das Klassentreffen fiel Evi ein. Wie hatte es Katharina noch formuliert?
    »Darf ich etwas dazu sagen?«, meldete sie sich zu Wort. »Frau Dr. Severin ist ein schönes Beispiel für die Durchlässigkeiteiner demokratisch verfassten Gesellschaft, in der jeder eine Chance hat. Der Vater Maurer. Die Mutter Putzfrau. Und eine Tochter, die sich mit Fleiß und Energie einen Platz in der politischen Elite erobert hat!«
    Hatte sie das jetzt wirklich gesagt? Evi staunte über ihre eigenen Worte. Katharina dagegen hörte auf zu atmen. Wütend starrte sie Evi an. Es war klar, dass sie ihrer Freundin am liebsten ein Pflaster über den Mund geklebt und sie anschließend an den Füßen aufgehängt hätte. Angstvoll erwartete sie den Spott des Medienmannes. Doch es kam anders.
    »Das ist ja hinreißend!«, rief Ralf Blumencron. »Eine aus dem Volk! Eine von uns! Respekt, das hätte ich nicht gedacht.«
    Wie vom Donner gerührt saß Katharina da. Erst jetzt schien sie zu begreifen, dass Evi sie soeben vor einem gefährlichen Schnitzer bewahrt hatte.
    »Ja …«, sie räusperte sich. Jedes einzelne Wort fiel ihr hörbar schwer. »Ich – ich komme in der Tat von ganz – ganz unten. Silberne Löffel kannte ich nur vom Hörensagen. So was gab’s nicht bei uns zu Hause. Genauso wenig wie Kaviar. Nur Erbsensuppe aus der Dose.«
    Jetzt war es heraus. Die ganze Wahrheit. Sie schlang ihre Finger ineinander, bis die Knöchel schmerzten. Hundert Tonnen Scham fielen grammweise von ihr ab.
    »Deshalb weiß sie auch ganz genau, wie ordinary people ticken«, sagte Beatrice, die mittlerweile gecheckt hatte, worauf Evi hinauswollte. »Man nennt es street credibility. Ganz im Gegensatz zu diesen arroganten Politikermasken, die nur an ihre Privilegien denken!«
    »Toll«, schwärmte Ralf Blumencron und drückte die Stopptaste. »Toll, toll, toll. Der Star von ganz unten. DieTochter einer Putzfrau. Das hat noch in keiner Zeitung gestanden. Das ist neu, das ist exklusiv! Ich geh mal was zu trinken holen, dann reden wir weiter. Wasser für die Damen?«
    Die drei nickten, woraufhin er sich eilig erhob und die Bar ansteuerte. Sobald er außer Hörweite war, sackte Katharina in sich zusammen wie ein Soufflé, das man zu früh aus dem Ofen geholt hatte.
    »Danke Evi, du hast mich vor einem Riesenfehler bewahrt«, seufzte sie leise. »Wie bist du denn darauf gekommen?«
    »Tja, ich dachte, dass du immer so unnahbar rüberkommst. Deine Familie macht dich sympathisch, merkst du das denn gar nicht?«
    »Jetzt schon«, gab Katharina zu. »Aber wieso unnahbar? Ich finde, dass ich eigentlich ganz nett wirke.«
    »Nett?« Beatrice schüttelte den Kopf. »Neee. Herzwärmend wie ein Eisberg. Lebendig wie der Zentralfriedhof. Und sympathisch wie Mundgeruch. Typischer Widerspruch zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung. Zum Glück kenne ich dich auch anders. Du willst Karriere machen? Nur zu. Zeig deine weiche Seite! Erzähl von deiner Familie. Du wirst sehen, dass man dich dafür lieben wird.«
    »Lieben?«, wiederholte Katharina zweifelnd. »Ich will aber mit Kompetenz überzeugen.«
    Beatrice knuffte sie in die Schulter. »Quatsch – Kompetenz! Die haben viele. Du bist eine Frau aus Fleisch und Blut, nicht so ein Phrasenkasper wie die anderen Politiker. Lass es raus! Weißt du denn nicht, dass du was Besonderes bist?«
    »Hm, eher nicht«, bekannte Katharina. »Und was soll ich jetzt tun?«
    »Mach ihn mit Güte fertig«, befahl Beatrice. »Wickel ihn in

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