Du Mich Auch
erkennt man dich nicht, nur das entgleiste Mienenspiel des Herrn Ministers«, antwortete Beatrice prompt. »Für den ist Schicht im Schacht, wenn du das heiße Filmchen Blumencron zuspielst. Labiler Spitzenpolitiker rödelt auf Unbekannter herum – ich sehe die Schlagzeile schon vor mir.«
Evi rieb sich nachdenklich das Kinn. »Der Arme. Fast tut er mir schon wieder leid. Und seine Familie erst …«
»Okay, eine Runde Mitleid für Horst«, kommentierte Beatrice den Einwand. »Aber Strafe muss sein. Hast du etwa schon vergessen, was er Katharina angetan hat?«
»Nein, nein.« Beatrice hatte ja recht. Und doch war Evi nicht ganz wohl bei der Sache.
»Jedenfalls machen wir Fortschritte«, erklärte Katharina. »Werner ist fürs Erste stillgelegt, ich habe kompromittierende Beischlafszenen, fehlt nur noch der sexy Handyschnappschuss von Hans-Hermann. Wann ist noch mal der Termin?«
»Übermorgen«, antwortete Beatrice. »Am Samstag.«
Katharina machte ein feierliches Gesicht. »Dann gebe ich Hans-Hermann hiermit zum Abschuss frei.«
Nein, Dr. Mergenthaler fühlte sich gar nicht wohl. Immer wieder wischte er sich mit einem karierten Taschentuch die Schweißtröpfchen von der Stirn. Obwohl es erst zehn Uhrmorgens war, sah er aus, als hätte er tagelang nicht geduscht. Wie ein verknautschtes Stofftier hockte er in einem großen Ledersessel am Schreibtisch und blätterte in seinen Aktenordnern herum.
»Hm, na ja, nein, oh, oh«, stöhnte er.
Evi war zum ersten Mal in Huberts Büro. Die gediegene Einrichtung erinnerte eher an einen englischen Zigarrenclub als an einen Hochsicherheitstrakt der Finanzen. Dunkle Holzvertäfelungen verbargen die Wände, dicke Teppiche dämpften jedes Wort. Es roch penetrant nach kalter Asche.
Ungeduldig spielte Evi mit ihrer Perlenkette. Sie hatte ein braves dunkles Kostüm angezogen, jedoch nicht vergessen, einen Knopf zu viel an ihrer Bluse offen zu lassen. »Nun, Hubert, ich will nicht vorgreifen, aber – wie wirkte Werner auf Sie?«
»Wie er …? Ach, ach …«
Dr. Mergenthaler stand noch immer unter dem Eindruck des schockierenden Krankenbesuchs, den sie Werner eine Stunde zuvor abgestattet hatten. Bleich wie eine Weißwurst hatte er in den Laken gelegen und unzusammenhängende Wortfetzen von sich gegeben. Der Anblick des Infusionsschlauchs und der pfeifenden Herz-Lungen-Maschine hatte dem Finanzberater den Rest gegeben. Die Herz-Lungen-Maschine war Roberts Idee gewesen, um der Situation zusätzlich Dramatik zu verleihen.
Umständlich zündete sich Dr. Mergenthaler eine Zigarre an. Sofort war das Büro von Rauchschwaden vernebelt, die Evi Tränen in die Augen trieben.
»Sprechen Sie es ruhig aus: Werner ist nicht mehr er selbst«, sagte sie mit gekonntem Tremolo. »Sein Zustand ist tragisch zu nennen. Und wir, lieber Hubert, wir müssen handeln!«
»Aber das Testament!«, rief Dr. Mergenthaler. Er paffte aufgeregt. »Und die Scheidungspläne! Ich habe stets Wert auf Loyalität gelegt. Seit zwanzig Jahren arbeite ich mit Werner Wuttke zusammen. Ich kann nicht einfach so tun, als habe es diese gemeinsame Zeit nie gegeben.«
Aha. Das fehlte gerade noch, dass der schlitzohrige Finanzjongleur plötzlich ehrpusselig wurde. Evi hätte ihn am liebsten kräftig durchgeschüttelt. Elender Feigling, dachte sie. So leicht kommst du mir nicht davon.
»Oh, ich schätze durchaus Ihre Loyalität einem Klienten gegenüber, der körperlich gesund und geistig zurechnungsfähig ist«, konterte sie. »Doch nun kann davon keine Rede mehr sein. Das Testament, die Scheidung – ich halte diese wirren Ideen für Anzeichen seines fortschreitenden geistigen Verfalls. So sieht es übrigens auch Professor Hell, und der ist ein ausgewiesener Fachmann.«
»Ein beeindruckender Mediziner«, pflichtete Dr. Mergenthaler ihr beflissen bei. »So jung und schon Professor! Kompliment für die glückliche Hand, mit der Sie ihn ausgesucht haben. »
Evi betrachtete entnervt ein Seestück in Öl, das goldgerahmt hinter Hubert an der getäfelten Wand hing. Es zeigte einen beflaggten Segelschoner, der auf schaumgekrönten Wellen ritt.
»Es war der letzte Versuch«, hauchte sie. »Nun kommt es nur noch darauf an, Werners Leiden zu lindern, bevor er endgültig …«
Sie zog ebenfalls ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich geräuschvoll. Hubert legte die Zigarre im Aschenbecher ab, dann putzte er seine Brille. Wieder betrachtete Evi das Gemälde. Hubert stand auf Seestücke? Die konnte er haben.
»Werner
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