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Du Mich Auch

Du Mich Auch

Titel: Du Mich Auch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Berg
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Büro betrat. Thomas von Drewitz galt als gefeierter Stararchitekt. Unter dem rechten Ärmel seines sandfarbenen Sommeranzugs blitzte eine unförmige goldene Armbanduhr auf.
    Abfällig musterte er Evi. Du gehörst nicht hierher, sagte sein Blick. »Wenn ich dann um Ihre Einladung bitten dürfte …«
    »Lieber Herr von Drewitz!« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich vertrete heute meinen Mann. Er ist leider erkrankt. Werner Wuttke. Ein großzügig zahlendes Mitglied Ihres Fördervereins, wenn ich es recht sehe.«
    Auf der Stelle nahm der Vorsitzende Haltung an. »Gnädige Frau! Was für ein dummes Missverständnis. Willkommen zum High Tea!«
    »Was ist das eigentlich – ein High Tea?«, fragte Evi mit ihrem dümmlichsten Grinsen. »Macht der Tee etwa high?«
    »Nun …« Thomas von Drewitz drehte den Kopf zur Seite und winkte irgendjemandem zu. Es war klar, dass er dieses hoffnungslos naive Muttchen so schnell wie möglich loswerden wollte. »Warum kosten Sie nicht einfach? Da drüben ist das Buffet. Bedienen Sie sich, Frau Wuttke. Wenn Sie mich dann mal entschuldigen würden …«
    Damit wollte er sich davonmachen. Doch Evi hatte nicht vor, ihn so einfach ziehen zu lassen. »Später. Wir sollten ein wenig plaudern.«
    Sie legte eine Hand auf seinen Rücken und bugsierte ihn mit eisenharter Sanftheit zu einer freien Sesselgruppe in der Nähe. Dann öffnete sie ihre Handtasche und holte ihr Handy heraus.
    Wie absichtslos drückte sie auf die Aufnahmetaste. Das hatte sie von Ralf Blumencron gelernt. Sie legte das Handy auf das Tischchen, das zwischen ihr und von Drewitz stand.
    Widerstrebend nahm der Vorsitzende Platz. »Also schön. Plaudern wir.«
    Ein Kellner reichte Evi eine Tasse aus hauchdünnem Porzellan und füllte sie mit Tee. »Wünschen Sie Milch oder Zitrone?«
    »Milch, Zitrone, Zucker und einen guten Schuss Rum«, antwortete Evi fröhlich. »Damit die Brühe nach was schmeckt.«
    Es war alles so einfach. Sie musste nur das ordinäre Werner-Sprech imitieren, das sie jahrelang ertragen hatte. Man würde sie für einen Volltrottel halten. Und genau das wollte sie.
    Der Kellner eilte davon, während Thomas von Drewitz enerviert mit den Augen rollte. »Wir lassen den Tee extra aus Indien importieren«, erläuterte er in betont arrogantem Tonfall. »Einen first flush, der nur auf einem ganz bestimmten Berg vor Sonnenaufgang geerntet wird. Aber das ist wohl eher etwas für Kenner.«
    »Hey, ich kenn mich super aus«, versicherte Evi. »Sie sollten mal meine Erdbeerbowle probieren, mit Sekt und einer gehörigen Dröhnung Schnaps. Da hören Sie die Engelchen singen.«
    Wie sie es genoss, sich komplett danebenzubenehmen! Immer hatte sie sich gefürchtet, dass sie den Regeln der Etikettenicht entsprach. Heute gab sie nach Herzenslust den Proll, bereit, mit Anlauf in jedes Fettnäpfchen zu springen, das sich ihr bot.
    »Erdbeerbowle, exquisit«, sagte ihr Gegenüber gequält. »Und Ihr Gatte? Was ist mit ihm?«
    »Liegt auf der Intensivstation«, erwiderte Evi. »Hat Pech gehabt, der Arme. Lange macht er’s nicht mehr.«
    Mit einem Mal sah auch von Drewitz leidend aus. »Wirklich? Ich hörte schon so etwas. Aber ich konnte es gar nicht glauben.«
    Der Kellner erschien mit einem Silbertablett, auf dem ein Kännchen Milch, eine Zitronenpresse sowie eine Schale mit Zuckerwürfeln stand. Und ein Glas Rum.
    Evi gab von allem große Portionen in ihren Tee, bis die Tasse fast überschwappte. Dann schlürfte sie, so laut sie konnte.
    »Tja, bald gehen bei Werner die Lichter aus«, sagte sie und dachte dabei an Robert. »Deshalb führe ich ab jetzt die Geschäfte.«
    Von einer Sekunde auf die nächste veränderte sich der Gesichtsausdruck des Vorsitzenden. »S-sie?«
    »Warum nicht?«, antwortete Evi. »Oder denken Sie, dass ich nicht bis drei zählen kann? Ich habe sogar einen Taschenrechner.«
    »Dann kann ja nichts passieren«, krächzte von Drewitz.
    »Sehen Sie!«, strahlte Evi. »Na, und weil Werner doch immer reichlich abdrückt, wollte ich mal hören, was ich Ihnen demnächst so rüberschieben soll.«
    »Rüberschieben …« Der Vorsitzende zerrte an seiner Krawatte, als sei er kurz vorm Ersticken.
    »Schreiben Sie mir doch Ihre Kontonummer auf. Oderwollen Sie lieber Bares? Wofür ist die Kohle eigentlich genau?«
    Es war wunderbar zu sehen, wie sich der weltläufige Herr von Drewitz plötzlich in ein armseliges Männchen verwandelte, das sich vor Verlegenheit wand. Evi rülpste. Selten hatte ihr etwas so viel

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