Du Mich Auch
Gedanken mehr fassen.
»Ach, Robert, ich bin so froh, dich zu sehen«, war alles, wozu ihr Sprachzentrum in der Lage war.
»Ich auch«, lächelte er. »Mir wird immer ganz warm ums Herz, wenn du da bist.«
»Wirklich? Gefalle ich dir denn?«, fragte sie zweifelnd. »Ich passe doch bestimmt nicht in dein Beuteschema, so wie ich aussehe …«
»Psst, nicht weitersprechen«, protestierte Robert leise. »Du bist wunderbar, so wie du bist. Eine sinnliche, liebenswerte Frau, wie es sie ganz, ganz selten gibt, glaub mir.«
Evi konnte es nicht glauben. Doch es bescherte ihr so viele Glücksgefühle, dass sie sich beherrschen musste, um Robert nicht auf der Stelle zu umarmen.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte sie.
Robert lächelte vielsagend. »Da würde mir so einiges einfallen …«
Ein aberwitziges Verlangen ergriff Evi. Es war wahnsinnig, es war absurd, doch sie wollte ihn. Sie wollte ihn jetzt. Und genau hier.
»Worauf hättest du denn Lust?«, fragte er mit weicher Stimme.
Sie schluckte. »Auf dich.«
In seinen Augen glimmte etwas auf, das Evi an ganz gewisse Momente erinnerte. Momente, die sie für immer in der Erinnerungsschatzkammer für Sternstunden abgespeichert hatte. Sie erschauerte. Aber durften sie sich wirklich vergessen, in diesem Krankenhaus, in diesem Zimmer, wo Werner vor sich hin schnarchte und jeden Augenblick jemand hereinkommen konnte?
Ihr Blick schweifte zu der Tür, die zum Badezimmer führte. »Kann man die Tür da eigentlich abschließen?«, erkundigte sie sich.
Ein breites Grinsen überzog Roberts Gesicht. »Privatpatienten haben ein Recht auf Privatsphäre. Selbstverständlich kann man die Tür abschließen.«
Er zog Evi vom Stuhl zu sich hoch und presste sie an sich. »Du bist verrückt«, murmelte er dicht an ihrem Ohr.
»Verrückt nach dir«, flüsterte sie.
Er küsste sie sanft aufs Ohrläppchen. Evi hatte das Gefühl, vor Begierde zu vergehen.
Robert warf einen letzten Blick auf den schnarchendenWerner. »Dann sollten wir uns das Badezimmer mal von innen ansehen. Ganz privat.«
Es gibt Erlebnisse, die selbst moralisch gefestigte Menschen völlig aus der Bahn werfen. Evi war alles andere als moralisch gefestigt. Umso hilfloser hing sie neben der Kurve, aus der es sie soeben getragen hatte. Noch nie hatte sie einen Quickie gewagt, an einem unmöglichen Ort, in einer komplett unmöglichen Situation, seit sie eine brave Ehefrau war. Aber es war so überwältigend gewesen, dass ihre Knie immer noch aus Watte bestanden, als sie längst wieder im Auto saß und nach Hause raste.
Sie pfiff auf die Moral. Werner hatte sie längst abgehakt. Was sie jedoch plagte, war das schlechte Gewissen ihren Freundinnen gegenüber. Es gab so etwas wie eine unausgesprochene Abmachung, dass Robert ihnen dreien gehörte. Diese Abmachung hatte sie im Taumel des Verlangens gebrochen. Oder stand es ihr zu, Robert auch einmal ganz für sich allein zu haben?
Evi wusste es nicht. Sie wusste nur, dass selbst eine grau gekachelte Nasszelle mit Notrufknopf der richtige Ort für eine innige Verschmelzung sein konnte. Jedenfalls, wenn es sich um Robert handelte.
Schon kam die Villa in Sicht. Als sie den Wagen geparkt hatte, betrachtete sie die dicke Schramme am Porsche. Das war an dem Abend passiert, als Werner sie aus seinem Haus und auch gleich aus seinem Leben hatte schmeißen wollen. Evi nahm sich vor, die Schramme nicht ausbessern zu lassen. Sie war eine Erinnerung daran, dass sie endlich angefangen hatte zu kämpfen. Dass aus dem braven Lämmchen unversehens eine Löwin geworden war.
Etwas wacklig ging sie die Stufen zur Villa hoch. Die Jungen saßen im Wohnzimmer und sahen ihre Lieblingsserie. Voller Liebe betrachtete Evi ihre beiden Söhne. Sie schienen sich endlich wohl zu fühlen in ihrem Zuhause. Sonst hatten sie sich immer in den Kinderzimmern verkrochen.
»Hallo, ihr zwei, möchtet ihr Schnittchen?«, fragte sie.
»Au ja, Mami, mit Salami!«, rief Kalli.
»Und eine Tüte Chips«, sagte Sven. »Bitte.«
Es war das erste »Bitte« seit Jahren. Ein Wunder war geschehen! Lächelnd ging Evi in die Küche und holte Brot aus dem Schrank. Das Leben war plötzlich so leicht und schön. Noch immer spürte sie Roberts leidenschaftlichen Griff und seinen heißen Atem in ihrem Nacken. Ihr Herz klopfte wild, ihre Wangen brannten. Wann hatte sie sich je so lebendig gefühlt?
Als sie mit einer Riesenplatte Schnittchen und Chips ins Wohnzimmer zurückkehrte, klopfte Kalli auf den freien Platz neben
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