Du Mich Auch
gut durchdachtes Sortiment von Medikamenten. Heute würde sie es brauchen.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Beatrice und Katharina auf einer der roten Ledercouchen Platz nahmen. Sofort waren sie umringt von mehreren Herren. In den Bassins ginges zu wie im Kinderplanschbecken. Erwachsene Männer aalten sich im Wasser und spritzten sich gegenseitig nass, während die Mädchen des Hauses höflich lachten. Männer waren so was von kindisch …
Lange halte ich das heute nicht aus, dachte Evi. Hoffentlich kommt Hans-Hermann bald. Das Trio fatal hatte nur einen mehr als vagen Plan und keine Ahnung, ob er funktionierte. Aber eines wusste Evi: Sie würde ihren Fuß kein weiteres Mal in diese abgeratzte Kaschemme setzen.
»… wie viel?«, tönte es dicht an ihrem Ohr.
»Eine Flasche sollte fürs Erste reichen«, antwortete sie.
»Doch nicht das, Dummerchen. Wie viel bekommst du für, na, du weißt schon.«
Für das Dummerchen würde sie sich mit Abführtropfen revanchieren, beschloss Evi. Sie versuchte, sich an die Preise zu erinnern, die die Chefin genannt hatte. »Äh, hundert, glaube ich.«
»So teuer?«, beschwerte sich der Mann. »Ich bin hier nicht der Millionär oder was.«
Aber ich habe demnächst schlappe hundert Mille auf dem Konto, dachte Evi voller Genugtuung. Dann kaufe ich diesen miesen Schuppen und sperre ihn zu. Oder mache ein Heim für gefallene Mädchen daraus. Der Gedanke gefiel ihr. Es wurde Zeit, dass sich auch hier etwas änderte.
Plötzlich stand Beatrice neben ihr. »Sweety, es geht los«, flüsterte sie atemlos. »Ehemann auf fünf. Ich tauche kurz ab.«
Evi sah zur Tür, durch die gerade Hans-Hermann stolziert kam. Mit Kennermiene sondierte er das Terrain, während er sein Jackett auszog. Dann hielt er direkt auf die Bar zu. Mit gesenktem Blick schlängelte sich Beatrice an ihm vorbei.Doch er war schneller. Geschickt erwischte er ihren Arm und hielt sie fest.
»Hey, kennen wir uns irgendwoher?«
»Nicht, dass ich wüsste«, piepste Beatrice mit verstellter Stimme.
»Wenn ich die Klamotten abgelegt habe, erkennst du mich bestimmt«, prahlte Hans-Hermann. »So ein Prachtstück von Männlichkeit vergisst man nicht.«
»Später vielleicht«, piepste Beatrice. »Ich geh mal für kleine Mädchen.«
Forschend blickte ihr Mann sie an. »Ist länger her, oder?«
Beatrice entwand sich seinem Griff. »Mindestens hundert Jahre.« Und schon war sie im Halbdunkel der Bar verschwunden.
»Raffiniertes Luder«, lachte Hans-Hermann. Dann fiel sein Blick auf Evi. »Aber wen haben wir denn da? Die süße kleine Jeanette. Und wieder ganz in Leder. Du bist echt Bombe!«
»Ich war als Erster da«, mischte sich Evis Kunde ein. »Und ich hab ihr auch schon was zu Trinken bestellt. Eine ganze Flasche Sekt.«
Hans-Hermanns Jagdinstinkt war geweckt. »Na, und? Dann bestell ich ihr eben zwei Flaschen. Gina? Mach mal zwei Pullen klar für die Lady hier.«
Die Chefin zwinkerte Evi anerkennend zu. »Aber immer doch, Henry.«
Henry? Nicht nur das Trio fatal hatte sich neue Namen fürs Nachtleben zugelegt.
Wütend räumte Evis Kunde das Feld. »Schlampe«, knurrte er.
»Noch so eine Frechheit, und Sie kriegen Ärger«, riefHans-Hermann. »Die hier ist viel zu schade für einen Schmalspurerotiker wie Sie.«
Evi verfolgte den Wortwechsel mit mulmigen Gefühlen. Die beiden Streithähne sahen aus, als ob jeden Moment die Fäuste fliegen würden. Eine Schlägerei konnte sie nun überhaupt nicht brauchen.
»Schluss jetzt.« Resolut knallte die Chefin zwei Sektflaschen auf den Tresen und deutete auf Hans-Hermann. »Wer am meisten zahlt, hat recht. Wem’s nicht passt, der schwirrt gefälligst ab.«
»Ich helfe gern nach«, brummte Joe, der sich massig wie ein Kleiderschrank neben dem glücklosen Mann aufbaute. Murrend zog er sich zurück.
»Loser«, sagte Beatrices Mann verächtlich. »Und jetzt zum angenehmen Teil.« Er legte einen Arm um Evis Taille. »Hmmm, alles dran. Ich steh nicht auf Hungerhaken, weißt du? Hab’s lieber weich und griffig.«
Und für den hat sich Beatrice in Größe 36 gehungert, dachte Evi. Was für eine sinnfreie Tortur. Der Typ hat wahrlich eine Lektion verdient. Die Rache ist unser.
Sie nahm das Glas, das Gina ihr hinschob, und trank einen Schluck. Auch Hans-Hermann griff sich ein Glas. Wie bekomme ich bloß die K.o.-Tropfen da rein?, überlegte Evi. An der Bar war es zu hell und zu übersichtlich.
»Sag mal, wollen wir uns nicht ein ruhigeres Plätzchen suchen?«, fragte sie
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