Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
Vom Netzwerk:
Tasche, dann zog er sie wieder heraus. Das war alles, was er tat.
    Ich führte mein Protokoll, und als alles vorbei war, blies die Mücke zweimal in die Trillerpfeife. Sie hielt mein Protokoll inder ausgestreckten Hand und las es, wie man liest, wenn man eigentlich eine Brille braucht.
    »Die Jungen haben gewonnen!«, rief sie. »Und jetzt ist der erste Schultag zu Ende. Auf Wiedersehn!«
    »Auf Wiedersehn!«, antworteten alle im Chor außer Tubal und Ludde, die schon auf dem Lehrerparkplatz zwischen den Autos waren. Und oben bei der Schule saß Marc, an die Mauer gelehnt, und rauchte.

    18

    Ich stand über das Fahrradschloss gebeugt, als sich Nadja mit ihrem Fahrrad näherte.
    »Warum hast du nicht mitgemacht beim Brennball?«, fragte sie.
    Das Schloss war offen, und ich hob das Rad aus dem Ständer.
    »Schürfwunden.«
    »Wo hast du dir denn Schürfwunden geholt?« Ihre Stimme klang, als hätte ich ihr gerade eröffnet, dass ich HIV-positiv bin.
    »Gras gemäht.«
    Nadja lachte.
    »Davon kriegt man doch keine Schürfwunden.«
    »Was du alles weißt«, sagte ich. »Guck mal.«
    Ich hielt ihr meine Hände hin, damit sie die Wunden zwischen Daumen und Zeigefinger sah.
    »Wie ist denn das passiert?« Jetzt klang ihre Stimme, als hätte sie gerade eine Kugel in meiner Stirn entdeckt. Sie schrie, als stände ich dreißig Meter entfernt.
    In dem Augenblick gingen Ludde und Tubal vorbei.
    »Eine Woche lang gewichst!«, rief Ludde. Tubal lachte, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
    »Sense«, sagte ich.
    Und dann stieg ich auf das Fahrrad.
    »Was machst du jetzt?«, rief Nadja und holte mich ein.
    »Nach Hause und arbeiten.«
    »Was arbeitest du?«
    »Gartenarbeit. Ich bin der Sensenmann.«
    Sie holte auf und fuhr neben mir her.
    »Ich kann dir eine Abkürzung zeigen.«
    »Prima.«
    »Wie gefällt dir die Klasse?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Erster Tag. Ist es eine gute Klasse?«
    »Nee«, antwortete Nadja. »Scheißschule. Man sollte wechseln, aber ich bin zu faul. Diese Schule ist so schön nah. Wieso hast du den Test so schnell abgegeben?«
    »Leichte Aufgaben.«
    »Das fand ich nicht.«
    Dann zeigte sie in die Landschaft.
    »Siehst du den Pfad da?«
    Sie bog mir voran in den Wald ein und fuhr schneller. Mir fiel es richtig schwer mitzuhalten, denn sie hatte ein gutes Fahrrad mit vielen Gängen. Hin und wieder ging es bergauf, dann wieder bergab. Der Pfad war sehr schmal. Nach einer Weile hatte ich Nadja aus den Augen verloren, aber das machte nichts. Es gab ja gar keine andere Möglichkeit, als dem Pfad zu folgen.
    Schließlich erreichte ich das Sumpfgebiet, wo ich die Schlange freigelassen hatte, und dort stand Nadja und wartete auf mich.
    »Ich muss jetzt in die andere Richtung«, sagte sie.
    »Willst du mit zu mir kommen und Tee trinken?«, fragte ich.
    Sie nickte mehrmals, als hätte sie sich den ganzen Sommer danach gesehnt, mich zu besuchen und mit mir Tee zu trinken.
    Jetzt fuhr ich voran, aber nach einer Weile holte sie mich ein.
    »Ich krieg ein Mofa«, sagte sie. »Im November.«
    »Cool«, sagte ich. »Ich fahre Rasenmäher.«
    Sie lachte.
    »Warum sagst du das?«
    »Es ist nun mal so. Magst du Schlangen?«
    »Schlangen!«, sagte Nadja. »Hast du eine Schlange?«
    »Hab eine gehabt. Eine Kreuzotter.«
    Wenig später kamen wir bei mir zu Hause an. Es war niemand da, wir aßen Toastbrot mit Käse und tranken Tee auf dem Steg, und ich erzählte von Morgan und seinem Versuch, mich mit einer Schlange in einer Supermarkt-Tüte zu erschrecken.
    »Du bist ja verrückt!« Nadja sah begeistert aus. »Stell dir vor, du hättest sie in sein Bett gelegt und er wäre gebissen worden.«
    »Die Katze«, sagte ich, »wo ist die Katze?«
    Wir gingen in die Küche. Die Katze lag nicht mehr auf ihrem Handtuch. Wir suchten sie im ganzen Haus, aber sie war weg.
    »Sie kann durch die Verandatür gegangen sein«, sagte Nadja und zeigte auf die Tür, die mit vorgelegter Sicherheitskette einen Spalt offen stand.
    Wir gingen wieder zum Steg hinunter. Aber auf unserem Teller saßen Spatzen, also mussten wir uns neue Brotscheiben toasten. Danach blieben wir am Küchentisch sitzen.
    Nadja schaute sich um.
    »So ein großes Haus!«
    »Ich weiß«, sagte ich. »In Sundsvall haben wir in einer Mietwohnung gewohnt. Drei Zimmer, so klein, dass man gerade Platz hatte, wenn man nicht zu lange Haare oder zu große Füße hatte. Morgan und ich im selben Zimmer. Du kannst dir ja vorstellen, was für ein Spaß das

Weitere Kostenlose Bücher