Du oder das ganze Leben
Angst.
Ms Small weist uns an, die Formation zu bilden, dann spielt
sie die für unser Team zusammengestellte Musik ab und ich zähle an. Es ist eine Mischung aus Hip-Hop und Rapmusik, die extra für unsere Performance gesamplet wurde. Wir nennen unsere Tanzeinlage »Bissige Böse Bulldoggen«, weil das Maskottchen unseres Footballteams die Bulldogge ist. Mein Körper vibriert im Rhythmus der Musik. Das liebe ich am Cheerleading. Es ist die Musik, die mich hypnotisiert und mich alle meine Probleme vergessen lässt. Sie ist meine Droge, die eine Sache, die mich abschalten lässt.
»Ms Small, können wir versuchen, uns zu Beginn als Broken T aufzustellen anstatt als T, wie wir es bisher geprobt haben?«, frage ich. »Dann in die Low V und High V Kombis, während Morgan, Isabel und Caitlin nach vorn gehen. Ich glaube, das würde sauberer aussehen.«
Ms Small lächelt, mein Vorschlag gefällt ihr offensichtlich. »Gute Idee, Brittany. Lass es uns versuchen. Wir beginnen in der Broken-T-Position mit gebeugten Ellbogen. Während der Neuformierung kommen Morgan, Isabel und Caitlin nach vorn in die erste Reihe. Denkt daran, die Schultern nicht hochzuziehen. Sierra, deine Handgelenke sollten eine Verlängerung deiner Arme sein, knicke sie nicht ab.«
»Ja, Ma’am«, antwortet Sierra hinter mir.
Ms Small stellt die Musik ein zweites Mal an. Der Rhythmus, die Lyrics, die Melodie … All das dringt mir ins Blut und hebt meine Stimmung, egal wie mies ich mich fühle. Während ich synchron mit den anderen Mädchen tanze, vergesse ich Carmen und Alex und meine Mom und alles andere.
Der Song ist viel zu schnell vorbei. Ich möchte mich weiter im Rhythmus der Musik bewegen, als Ms Small den CD-Player ausschaltet. Der zweite Durchgang war besser, aber unser Team muss noch viel üben und einige der neuen Mädchen tun sich schwer mit den Schritten.
»Brittany, du bringst den neuen Mädchen die Grundschritte bei, bevor wir es wieder als Gruppe versuchen. Darlene, du leitest den Rest des Teams beim Wiederholen der Abläufe«, instruiert uns Ms Small und gibt mir den CD-Player.
Isabel ist in meiner Gruppe. Sie kniet sich hin, um einen Schluck aus ihrer Wasserflasche zu nehmen. »Mach dir keine Sorgen wegen Carmen«, sagt sie. »Die meiste Zeit bellt sie mehr als sie beißt.«
»Danke«, erwidere ich. Isabel sieht tough aus, mit ihrem roten Latino-Blood-Bandana, drei Augenbrauenpiercings und Armen, die sie stets über der Brust verschränkt, wenn sie nicht gerade tanzt. Aber ihre Augen blicken freundlich. Und sie lächelt viel. Ihr Lächeln nimmt ihrem finsteren Auftreten etwas die Schärfe. Ich wette, wenn sie anstatt des roten Bandana eine pinkfarbene Schleife im Haar tragen würde, sähe sie richtig mädchenhaft aus. »Du bist in meinem Chemiekurs, oder?«, frage ich.
Sie nickt.
»Und du kennst Alex Fuentes?«
Sie nickt erneut.
»Sind die Gerüchte über ihn wahr?«, frage ich vorsichtig, da ich nicht weiß, wie sie auf meine Neugierde reagieren wird. Wenn ich nicht aufpasse, wird die Liste der Leute, die hinter mir her sind, unangenehm lang werden.
Isabels langes braunes Haar umspielt ihr Gesicht, während sie redet. »Kommt drauf an, welche du meinst.«
Als ich ansetze, die Liste der Gerüchte herunterzubeten, die Alex’ Drogenkonsum und Verhaftungen durch die Polizei betreffen, steht Isabel auf. »Hör zu, Brittany«, sagt sie. »Du und ich – wir werden nie Freundinnen sein. Aber ich kann dir sagen, egal wie unmöglich Alex sich heute dir gegenüber verhalten hat, er ist nicht so übel wie sein Ruf. Er ist noch nicht mal so übel, wie er selbst gern von sich glauben würde.«
Bevor ich eine weitere Frage stellen kann, hat Isabel ihre Position wieder eingenommen.
Anderthalb Stunden später, als wir alle erschöpft und gereizt sind und sogar ich genug habe, entlässt uns Ms Small aus dem Training. Ich nehme mir die Zeit, zu Isabel hinüberzugehen, die gut ins Schwitzen gekommen ist, um ihr zu sagen, dass sie ihre Sache heute sehr gut gemacht hat.
»Wirklich?«, fragt sie und sieht mich überrascht an.
»Du lernst schnell«, sage ich zu ihr. Es stimmt. Für ein Mädchen, das sich in den ersten drei Highschool-Jahren nie um einen Platz im Team beworben hat, hat sie unsere Performance wirklich schnell gelernt. »Deshalb haben wir dich in die erste Reihe gestellt.«
Während Isabels Mund vor Schock immer noch offen steht, frage ich mich, ob sie den Gerüchten Glauben schenkt, die sie über mich gehört hat. Nein,
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