Du oder das ganze Leben
Antwort ist ein Schulterzucken. »Ist es so wichtig, dass alle dich für wunderschön halten?«
»Mir ist es egal, was die Leute denken«, lüge ich.
»Denn das bist du … wunderschön, meine ich. Aber es sollte nicht so eine große Rolle spielen.«
Das weiß ich. Aber da, wo ich herkomme, geht es die ganze Zeit nur darum, die Erwartungen zu erfüllen, die in einen gesetzt werden. Wo wir gerade bei Erwartungen sind … »Was hat Mrs Peterson zu dir gesagt?«
»Ach, das Übliche. Dass sie mir das Leben zur Hölle machen wird, wenn ich ihren Kurs nicht ernst nehme.«
Ich schlucke, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm verraten sollte, was ich vorhabe. »Ich werde ihr sagen, dass du die Tests vertauscht hast.«
»Mach das nicht«, bittet er und weicht einen Schritt zurück.
»Warum nicht?«
»Weil es keine Rolle spielt.«
»Natürlich tut es das. Du brauchst gute Noten, um …«
»Um was? Um auf ein gutes College zu kommen? Jetzt mach mal halblang. Ich werde nicht aufs College gehen und das weißt du. Ihr reichen Kids sorgt euch um euren Durchschnitt, als würde er bestimmen, wie viel ihr wert seid. Ich brauche das nicht, also versuch nicht, mir einen Gefallen zu tun. Mir macht es nichts aus, ein C in Chemie zu bekommen. Sorg einfach dafür, dass die Handwärmer der Burner werden.«
Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, damit wir ein A mit Sternchen für unser Projekt bekommen.
»Wo ist dein Zimmer?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.
Meine Tasche mit den Büchern lasse ich auf den Boden fallen. »Ein Schlafzimmer verrät viel über einen Menschen.«
Er deutet auf einen Durchgang, der sich zu einer Seite des Wohnzimmers hin öffnet. Drei Betten nehmen einen Großteil des winzigen Raums ein, der gerade noch Platz für einen schmalen Kleiderschrank bietet. Ich sehe mich in dem kleinen Zimmer um.
»Ich teile es mit meinen zwei Brüdern«, erklärt er. »Da bleibt nicht viel Raum für Privatsphäre.«
»Wetten, dass ich rausfinde, welches dein Bett ist?«, sage ich lächelnd und lasse meinen Blick durch das Zimmer und über die Betten schweifen. An eine Wand hat jemand das Bild eines hübschen, hispanischen Mädchens geklebt. »Hmmm …«, murmle ich, werfe Alex einen kurzen Blick zu und frage mich, ob das Mädchen, das mich ansieht, wohl seiner Idealvorstellung entspricht.
Ich gehe langsam um ihn herum und untersuche das nächste Bett. Die Wand darüber schmücken Bilder von Fußballstars. Das Bett ist zerwühlt und vom Kopf- bis zum Fußende sind Kleider darauf verstreut.
Nichts verschönert die Wand über dem dritten Bett, als sei die Person, die hier schläft, nur zu Besuch. Es ist beinah traurig, wie viel die ersten beiden Betten über die Menschen aussagen, die in ihnen schlafen, und daneben dieses hier zu sehen, das vollkommen nackt ist.
Ich setze mich auf Alex’ Bett, das hoffnungslose, leere, und sehe ihm in die Augen. »Dein Bett verrät eine Menge über dich.«
»Ach ja? Was denn?«
»Ich frage mich, warum du meinst, dass du nicht mehr lange hier sein wirst«, sage ich. »Falls es nicht insgeheim doch dein Plan ist, aufs College zu gehen.«
Er lehnt sich an den Türrahmen. »Ich gehe nicht aus Fairfield weg. Niemals.«
»Willst du nicht studieren?«
»Jetzt klingst du wie der Clown von der Berufsberatung.«
»Möchtest du nicht weg hier und dein eigenes Leben führen? Die Vergangenheit hinter dir lassen?«
»Für dich ist aufs College zu gehen so was wie eine Flucht«, behauptet er.
»Eine Flucht? Alex, du hast doch keine Ahnung. Ich werde auf ein College gehen, das in der Nähe meiner Schwester ist. Zuerst war es die Northwestern, jetzt ist es die Universität von Colorado. Mein Leben wird von den Launen meiner Eltern bestimmt und davon, wo sie meine Schwester hinschicken. Du willst es dir leicht machen, also bleibst du hier.«
»Glaubst du etwa, es sei ein Spaziergang, der Mann im Haus zu sein? Verdammt, Brit, dafür zu sorgen, dass meine mamá sich keinen Loser anlacht und meine Brüder nicht anfangen, sich irgendeinen Scheiß zu spritzen oder Crack zu rauchen – das allein reicht, um mich hier zu halten.«
»Es tut mir leid.«
»Ich habe dir gesagt, du sollst mich nicht bemitleiden.«
»Nicht deswegen«, sage ich und erwidere seinen Blick fest. »Du fühlst dich deiner Familie so verbunden und trotzdem bringst du nichts Bleibendes neben deinem Bett an, als könntest du jeden Moment fortgehen. Deswegen tust du mir leid.«
Er weicht zurück, sodass ich sein
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