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Du oder der Rest der Welt

Du oder der Rest der Welt

Titel: Du oder der Rest der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Elkeles
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?«, frage ich sie.
    »Hä? Ich kann kein Spanisch. Je parle français – ich spreche Französisch.«
    »Warum? Leben viele Franzosen in Colorado?« »Nein, aber ich möchte ein Semester in Frankreich studieren, wenn ich auf dem College bin, wie meine Mutter.«
    Meine Mutter hat noch nicht mal die Highschool abgeschlossen. Sie wurde schwanger mit Alex und heiratete meinen Dad.
    »Du lernst eine Sprache, die du nur ein Semester brauchen wirst? Hört sich bescheuert an.« Ich bleibe stehen, als wir an einer Tür vorbeikommen, auf die eine männliche Strichfigur gemalt ist. Mit meinem Daumen zeige ich auf die Tür. » Servicio heißt Toilette. Ich habe gefragt, wo die Toilette ist.«
    »Oh.« Sie sieht etwas verwirrt aus, als könne sie mit einer Abweichung vom Stundenplan nicht umgehen. »Ich werde einfach hier auf dich warten.«
    Zeit, ein bisschen Spaß zu haben, indem ich meinen Buddy verarsche. »Du könntest natürlich auch mit reinkommen und mir alles zeigen. Ich meine, ich weiß ja nicht, wie weit du dieses Buddy-Ding treiben willst.«
    »Nicht so weit.« Sie schürzt die Lippen, als hätte sie gerade in eine Zitrone gebissen, und schüttelt den Kopf. »Geh schon. Ich warte.«
    In der Toilette stütze ich mich mit den Händen am Waschbecken ab und hole tief Luft. Aus dem Spiegel guckt mir ein Typ entgegen, den seine Familie für einen kompletten Versager hält.
    Vielleicht hätte ich mi’amá die Wahrheit erzählen sollen: dass ich gefeuert wurde, weil ich die kleine, fünfzehnjährige Emilie Juarez davor beschützen wollte, von einem der Aufseher begrapscht zu werden. Schlimm genug, dass sie die Schule schmeißen musste, um arbeiten zu gehen und mitzuhelfen, ihre Familie zu ernähren. Als unser Boss meinte, er könnte sie mit seinen schmutzigen Finger betatschen, bloß weil er el jefe war, bin ich ausgerastet. Ja, es hat mich meinen Job gekostet … aber das war es wert, und ich würde es jederzeit wieder tun, sogar, wenn die Konsequenzen dieselben wären.
    Ein Klopfen an der Tür katapultiert mich in die Realität zurück und erinnert mich daran, dass ich von einem Mädchen zum Unterricht begleitet werde, das so angezogen ist, als wolle es gleich den Mount Everst besteigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mädchen wie Kiara je für irgendwas einen Kerl brauchen wird. Sollte jemand es wagen, sie zu bedrohen, würde sie ihn einfach mit ihrer Zeltplane von einem T-Shirt ersticken.
    Die Tür geht einen winzigen Spalt auf. »Bist du immer noch da drin?« Kiaras Stimme hallt von den Wänden der Toilette.
    »Yep.«
    »Bist du bald fertig?«
    Ich rolle mit den Augen. Als ich eine Minute später aus der Toilette komme und auf die Treppe zugehe, bemerke ich, dass meine Begleiterin mir nicht folgt. Sie steht auf dem leeren Gang und hat immer noch den angefressenen Ausdruck im Gesicht. »Du musstest nicht mal«, sagt sie und klingt angepisst. »Du hast nur rumgetrödelt.«
    »Du bist ein Genie«, sage ich ausdruckslos, dann springe ich zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hoch.
    Erster Punkt für Carlos Fuentes.
    Ich höre ihre Schritte hinter mir auf dem Flur, sie versucht mich einzuholen. Während ich den Flur im ersten Stock entlanggehe, denke ich darüber nach, wie ich sie am besten loswerden könnte.
    »Danke, dass du mich ohne Grund mit einer Megaverspätung zum Unterricht kommen lässt«, sagt sie und ist wieder hinter mir.
    »Gib mir dafür nicht die Schuld. Das mit dem Babysitter war nicht meine Idee. Und um das klarzustellen: Ich finde mich auch allein bestens zurecht.«
    »Ach, tatsächlich?«, sagt sie. »Du bist gerade an Mr Henneseys Zimmer vorbeigelatscht.«
    Mist.
    Ein Punkt für die Vorzeigeschülerin.
    Jetzt steht es eins zu eins. Die Sache ist, Unentschieden ist nicht mein Ding. Ich will gewinnen, und zwar mit deutlichem Vorsprung.
    Die Augen meiner kleinen Fremdenführerin blitzen amüsiert auf, was mich echt ankotzt.
    Ich stelle mich dicht vor sie, extrem dicht. »Hast du schon mal geschwänzt?«, frage ich sie mit einem vielsagenden, flirtenden Unterton. Es ist der Versuch, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, damit ich wieder die Oberhand gewinne.
    »Nein«, sagt sie langsam. Sie sieht nervös aus.
    Gut. Ich beuge mich noch näher zu ihr. »Wir sollten es irgendwann mal zusammen machen«, sage ich sanft, dann öffne ich die Tür des Klassenzimmers.
    Ich höre, wie sie geräuschvoll Luft holt. Mal ehrlich, ich habe nicht um einen Körper gebeten, der jede Braut schwachmacht. Aber dank

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