Du oder der Rest der Welt
dir«, sage ich zu ihm. »Für immer und ewig und noch ein bisschen länger.«
Epilog
SECHSUNDZWANZIG JAHRE SPÄTER
Carlos Fuentes sieht der Frau, mit der er seit zwanzig Jahren verheiratet ist, dabei zu, wie sie die Tageseinnahmen verbucht. Die Geschäfte der McConnell’s Autowerkstatt laufen gut, der Laden ist in ihrer Hand, seit Carlos seinen Abschied vom Militär genommen hat. Sogar in den mageren Jahren sind sie gut über die Runden gekommen. Seine Frau hat die einfachen Dinge des Lebens schon immer zu schätzen gewusst, selbst in Zeiten, in denen sie sich mehr hätten leisten können. Zum Teufel, mit ihm zusammen in der Gegend um den Dome wandern zu gehen, macht sie nach wie vor glücklicher als alles andere. Die Wanderung ist zu einem wöchtentlichen Ritual für sie beide geworden.
Mit dem Skifahren oder Snowboarden verhält es sich jedoch völlig anders. Carlos ist jahrelang mit Kiara und den Kindern in den Winterurlaub gefahren, hat aber lieber aus sicherer Entfernung zugesehen, wie Kiara ihren drei Töchtern erst Skifahren und dann Snowboarden beibrachte. Ganz besonders toll fanden sie es immer, wenn ihr Onkel Luis mitkam, denn er ist der einzige Fuentes-Bruder, der verrückt genug war, sie die schwarzen Pisten hinunterzujagen.
Carlos wischt sich die Hände an einem Tuch ab, nachdem er das Öl vom Wagen seines alten Freudes Ram gewechselt hat. »Kiara, wir müssen über diesen Jungen reden, den dein Vater uns aufgezwungen hat.«
»Er ist kein schlechter Junge«, sagt Kiara, guckt zu ihrem Mann hoch und lächelt ihn beruhigend an. »Er braucht nur etwas Führung und ein Zuhause. Er erinnert mich ein wenig an dich.«
»Machst du Witze? Hast du gesehen, wie viele Piercings dieser Übeltäter hat? Ich wette, er hat sie an Stellen, die ich mir noch nicht mal vorstellen möchte.«
Wie aufs Stichwort fährt ihre älteste Tochter Cecilia vor, der Übeltäter sitzt auf dem Beifahrersitz neben ihr.
»Seine Haare sind zu lang. Er sieht aus wie eine chica , die eine Rasur braucht«, sagt Carlos.
»Wo wart ihr?«, fragt er im nächsten Moment anklagend, als die zwei Highschoolschüler gleichzeitig aus Cecilias Wagen steigen.
Keiner der beiden antwortet.
»Dylan, komm mit. Wir müssen uns von Mann zu Mann unterhalten.« Carlos erwischt den Übeltäter dabei, wie er mit den Augen rollt, aber er folgt ihm in sein Büro in einer Ecke der Werkstatt. Carlos schließt die Tür und setzt sich auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch, während er Dylan bedeutet, auf dem Besucherstuhl ihm gegenüber Platz zu nehmen.
»Du bist jetzt schon eine Woche bei uns, aber ich war so beschäftigt in der Werkstatt, dass ich versäumt habe, die Hausregeln mit dir durchzugehen«, sagt Carlos.
»Hör zu, alter Mann«, erwidert der Junge gedehnt, dann lehnt er sich zurück und legt seine dreckigen Schuhe auf Carlos’ Schreibtisch. »Ich befolge keine Regeln.«
Alter Mann? Ich befolge keine Regeln? Verdammt, dieser Junge braucht einen kräftigen Tritt in den Hintern. Um ehrlich zu sein, Carlos entdeckt tatsächlich ein bisschen von seinem alten, rebellischen Selbst in dem Jungen. Dick war der beste Ersatzvater, den Carlos sich hätte wünschen können, damals, als er nach Colorado kam. Zum Henker, er hat den Professor sogar schon Dad genannt, bevor er und Kiara heirateten, und kann sich nicht vorstellen, was ohne das Engagement ihres Vaters aus ihm geworden wäre.
Carlos schubst Dylans Füße von seinem Schreibtisch und denkt an den Moment zurück, als Kiaras Vater ihm einen Vortrag hielt, der dem sehr ähnelte, den er jetzt halten wird. » Uno , keine Drogen oder Alkohol. Dos , keine vulgären Ausdrücke. Ich habe eine Frau und drei Töchter, also pass auf, was du sagst. Tres , an Wochentagen bist du um zehn Uhr dreißig zu Hause, an Wochenenden um Mitternacht. Cuatro , von dir wird erwartet, dass du deinen eigenen Dreck wegmachst und im Haushalt mithilfst, wenn du darum gebeten wirst, genau wie unsere eigenen Kinder. Cinco , bevor du deine Hausaufgaben nicht erledigt hast, wird kein Fernsehen geguckt. Seis …« Ihm fällt nicht mehr ein, was die sechste Regel seines Schwiegervaters war, aber das spielt auch keine Rolle. Carlos hat seine eigene Regel, die er laut und deutlich äußern wird. »Etwas mit Cecilia anzufangen kommt nicht infrage, also denk nicht mal dran. Noch Fragen?«
»Yeah, eine.« Der Übeltäter beugt sich vor und sieht Carlos mit einem provozierenden Grinsen direkt in die Augen. »Was passiert, wenn ich
Weitere Kostenlose Bücher