Du oder die grosse Liebe
meine zwei älteren Brüder scheue ich keine Herausforderung, und Nikki Cruz ist definitiv niemand, der sich kampflos ergibt. Aber ich wette, bevor der Abend vorüber ist, habe ich sie überzeugt, meine neue Freundin zu sein – na ja, zumindest bis ich wieder nach Colorado zurückfliege.
6
Nikki
Ich beobachte, wie Luis seiner Mutter aus dem Raum folgt, das arrogante Haupt hoch erhoben. Ich wollte gerade das Gespräch mit Kendall beenden, als er ins Zimmer platzte und ich erstarrte. Eine Sekunde lang dachte ich, er sei Marco. Sie sind beide etwa gleich groß und alt und haben einen ähnlichen Körperbau.
Als Luis mich angelächelt hat und ich ein kurzes Aufflackern von Anziehung verspürte, bekam ich Panik. Ich muss wachsam sein – einer wie Luis ist genauso gefährlich wie Marco. Das verrät mir sein Lächeln. Er sieht zwar unschuldig aus, doch ich weiß es besser. Es gelingt ihm vielleicht, andere Mädchen zu täuschen, aber mich nicht.
Es ist zwei Wochen her, seit Marco sich von mir getrennt hat, und der Schmerz ist immer noch so frisch wie an dem Tag, als er mich am Strand zurückgelassen hat. Ich möchte nie wieder so verzweifelt und am Boden zerstört sein wie in jener Nacht. Wenn Hass und Hohn mich schützen, dann benutze ich sie eben.
Ich gehe erhobenen Hauptes zurück zur Zeremonie. Die Musik setzt ein und ich lasse mich schnell auf den leeren Platz zwischen meiner Mutter und meinem kleinen Bruder Ben fallen. Ben hängt wie ein nasser Sack auf seinem Stuhl. Er ist beleidigt, weil Mom und Dad ihn nicht mit seinem Gameboy spielen lassen. Also muss er hier sitzen wie all die anderen gelangweilten zwölfjährigen Jungs auf dieser Hochzeit.
Meine Eltern und Ben haben keine Ahnung, dass Marco und ich nicht mehr zusammen sind. Ich wollte nicht darüber reden. Ich wollte auch nicht, dass meine Eltern sich in die Brust werfen nach dem Motto: Wir haben es dir ja gleich gesagt. Ben wäre es völlig egal, da er die ganze Zeit, die ich mit Marco zusammen war, sowieso nicht mehr als zwei Worte mit Marco gewechselt hat.
Wenn es nach meinen Eltern ginge, würden sie wahrscheinlich am liebsten eine Ehe für mich arrangieren – mit einem netten Jungen aus einer guten Familie. Mir dagegen wird übel bei dem Gedanken, dass meine Eltern meinen Freund – oder der Himmel bewahre – meinen zukünftigen Ehemann für mich aussuchen.
Ben hatte bis jetzt noch keine Freundin. Ihm ist jede elterliche Einmischung in sein Liebesleben erspart geblieben, einfach deshalb, weil sein Liebesleben nicht existiert – außer es zählt seine Leidenschaft für Prinzessin Amotoka aus seinem geliebten Online-Spiel. Unnötig zu erwähnen, dass sie keine reale Person ist.
Mein Blick wandert nach vorn, wo Luis neben den anderen Trauzeugen steht. Als unsere Blicke sich für den Bruchteil einer Sekunde begegnen, blinzelt er mir zu und lässt ein Killerlächeln aufblitzen. Ich senke den Blick und gebe vor, plötzlich wahnsinnig an einem losen Faden am Saum meines Kleides interessiert zu sein. Mir ist schlecht.
Direkt hinter mir höre ich ein Mädchen laut flüstern: »Omeingott! Hast du den scharfen Typen mit den hochgegelten Haaren gesehen? Omeingott, wer ist das?«
Wenn sie noch einmal Omeingott sagt, drehe ich mich um und knall ihr eine.
»Das ist Alex’ Bruder Luis«, erklärt jemand der Omeingott-Tussi.
»Ich glaube, er hat mir gerade zugezwinkert«, höre ich sie quietschen.
Ich erwähne nicht, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass dieses Zwinkern für mich bestimmt war. Stattdessen zwinge ich mich, Luis zu ignorieren, und konzentriere mich auf die Braut und den Bräutigam. Je mehr ich mich bemühe, Luis nicht anzustarren, desto schwieriger wird es. Ich hasse das.
Die Zeremonie ist genau wie jede andere Hochzeitszeremonie an einem Strand bei Sonnenuntergang. Okay, ich gebe zu, die ganze Kulisse ist spektakulär, aber der Strand hat für mich im Moment negative Vibes. Ich dachte, es sei unser besonderer Ort, meiner und Marcos, aber das ist vorbei. Hier zu sein und auf den Michigansee im Hintergrund zu starren, erinnert mich nur an unsere Trennung.
Die Braut, Brittany, ist im Begriff, den Gang hinunterzuschreiten, aber sie zögert und wirft unruhige Blicke zum Eingang, bevor sie den Arm eines älteren Mannes nimmt, der sie zu Alex geleiten wird.
»Armes Ding. Ihre Eltern sind nicht gekommen«, flüstert meine Mom mir zu.
»Warum nicht?«, frage ich.
Mom zuckt mit den Schultern. »Ich bin nicht sicher. Ich habe nur ihre
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