Du oder die grosse Liebe
weißer Typ zu mir, als ich mich in der Umkleide auf eine Bank setze, nachdem man mir meine Sportkleidung ausgehändigt hat. »Verzieh dich.«
Ich kann das Lachen nicht unterdrücken, das mir entschlüpft. » Mex? Hast du mich gerade Mex genannt?«
»Du hast mich schon verstanden. Jetzt geh und lass deinen dreckigen Immigrantenarsch irgendwo anders hinplumpsen.«
Im Gegensatz zu meinen Brüdern prügle ich mich nicht gerne und habe nicht vor, hier und jetzt eine Schlägerei anzuzetteln.
Ich ziehe gleichmütig die Schuhe aus und erinnere mich daran, dass dieser Typ es nicht wert ist, um seinetwegen von der Schule zu fliegen. Aber ich werde mich auch nicht von ihm rumschubsen lassen.
»Tut mir echt leid, dir das sagen zu müssen, Gringo «, entgegne ich. »Aber ich bewege mich nicht vom Fleck. Das hier ist der erste Schultag. Du hast noch keinen Platz.«
Weitere Jungs strömen in die Umkleide. Gringo haut mit voller Wucht direkt über meinem Kopf mit der Faust gegen den Spind und alle Blicke wenden sich uns zu.
»Ich warne dich«, knurrt er mit zusammengebissenen Zähnen, dann tritt er meine Schuhe quer durch den Raum.
Ich verdrehe die Augen. Er will, dass ich als Erster zuschlage, damit ich derjenige bin, der Ärger bekommt. Er hat keinen Schimmer, dass ich die Geduld eines Heiligen habe. Zumindest behauptet Carlos das, auch wenn es nicht viel zu sagen hat, wenn man bedenkt, dass es nur einen Wimpernschlag braucht, bis er explodiert.
Pedro, ein Typ, der gegenüber von uns gewohnt hat, bevor wir weggezogen sind, bedeutet mir, in den hinteren Bereich der Umkleide zu kommen. »Ah, dejalo y mueveté« , sagt er zu mir.
Mit anderen Worten, geh dem Streit aus dem Weg.
»Hör auf deinen Freund«, sagt Gringo, dann packt er mich am T-Shirt und versucht, mich von seinem kostbaren Platz zu schubsen.
Das wird nicht passieren.
Ich schubse zurück. Damit hat er wohl nicht gerechnet, denn sein Körper prallt hart gegen die Spinde. Er verliert das Gleichgewicht und landet mit einem Plumps auf dem Hintern.
»Ich reiße dir deinen beschissenen Arsch auf!«, kreischt er.
Er will sich gerade mit vollem Kampfgewicht auf mich stürzen, als einer seiner Freunde sich zwischen uns stellt. »Dougan, reg dich ab. Echt, Mann, er ist es nicht wert, aus dem Team zu fliegen.«
Dougan versucht, mich in Grund und Boden zu starren, bevor er mir den Rücken zudreht und zu einer anderen Reihe Spinde marschiert, seine Freunde im Schlepptau. Ich setze mich wieder und hole tief Luft. Ich bin nicht mehr in Boulder, so viel steht verdammt noch mal fest.
Alle, die in der vierten Stunde Mittagspause haben, lassen die Cafeteria links liegen und essen lieber draußen. Der Hof ist voller Schüler. Die Southsider sitzen unter den Bäumen, während die Northsider die Picknicktische in Beschlag genommen haben, als wären sie für sie persönlich angeschafft worden. Ich entdecke Nikki, die inmitten eines Haufens breitschultriger Möchtegernathleten sitzt, die alle um ihre Aufmerksamkeit buhlen. Sie lächelt sie an und lacht über ihre Witze, aber ich kann sehen, dass ihre Fröhlichkeit nur gespielt ist. Keiner von ihnen vermag ihre Aufmerksamkeit lange zu fesseln.
Ich sitze neben meinen alten Freunden unter einem großen Ahornbaum.
»Also, was hast du so getrieben, Fuentes?«, fragt Pedro, während er gleichzeitig in eine braune Papiertüte greift und sein Mittagessen herauszieht. »Abgesehen davon, Dougan in der Umkleide anzupissen.«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich hab ’ne Weile in Mexiko gelebt. Dann sind wir nach Colorado gezogen.«
»Warum bist du in dieses Drecksloch zurückgekehrt?«, fragt Marco Delgado. Er sitzt mir gegenüber und ich sehe ein Stück eines Messers aus seinem Socken ragen.
» Ma familia hat mich zurückgebracht«, antworte ich.
»Wo wir von familia reden«, sagt Marco. »Dein Bruder Alex war doch früher ein Blood, oder?«
Ich nicke.
Ich wäre schön blöd, wenn ich nicht damit gerechnet hätte, dass dieses Thema früher oder später zur Sprache kommen würde. Mein Bruder war aktives Mitglied der Latino Blood, bis Hector Martinez ihn verraten hat.
»Chuy ist vor einer Weile hochgenommen worden. Die meisten der OGs sind ins DOC gesteckt worden«, erklärt Delgado.
Das DOC , auch bekannt als Departement of Corrections.
»Hab ich gehört.«
Chuy war der Zweite in der Befehlskette. Als er fiel, sind die anderen OGs mit ihm untergegangen. Mein Cousin Enrique wäre beinah in den Knast gewandert, aber Alex hat ihm
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