Du oder die grosse Liebe
elterliche Fürsorge. Ich habe mein ganzes Leben keinen Vater gehabt und bin gut klargekommen.
»Sie sind nicht mein Vater«, erinnere ich ihn.
»Da hast du recht. Wenn ich es wäre, würde ich dich über Nacht einbuchten, um dir eine Lektion zu erteilen.«
22
Nikki
Ich habe meine Vorsicht über Bord geworfen, was nicht der Plan war. Und ich habe mir vorhin im Poolhaus erlaubt zu glauben, dass Luis und Marco vollkommen verschieden sind.
Das war, bevor ich ihn kämpfen sah.
Luis und Marco waren auf derselben Seite, sie prügelten sich mit Justin und ein paar Typen aus dem Footballteam. Luis’ Fäuste flogen, und das Schlimmste daran war, dass es ihm zu gefallen schien – als stille der Kampf irgendein verborgenes Bedürfnis.
Ich weiß nicht, wer angefangen hat. Aber das spielt eigentlich auch keine Rolle. Luis ist der Prügelei nicht aus dem Weg gegangen. Im Gegenteil, er war der Letzte, der aufrecht stand, bereit, es mit jedem aufzunehmen, der es wagen würde, ihn herauszufordern. Er hörte nicht auf, bis die Cops ihn mit körperlicher Gewalt dazu zwangen.
Und dann sah ich die Drogen, die direkt neben seinen Füßen auf dem Boden lagen.
Ich kann nicht mit jemandem zusammen sein, der sich prügelt und mit Drogen dealt. Marco war in so viele Schlägereien verwickelt, dass er zeitweise vom Unterricht ausgeschlossen wurde. Direktor Aguirre behauptet, er verfolge eine Null-Toleranz-Politik, aber als unsere Stufe ihr Freshmanjahr an der Fairfield begann, hat er schnell erkannt, dass kaum ein Schüler von der Southside übrig bliebe, wenn jeder nach drei Verweisen von der Schule fliegen würde. Aguirre droht immer noch damit, Schüler der Schule zu verweisen, aber er zieht es nur selten durch.
Ich muss damit aufhören, über Luis nachzudenken. Als ich ins Bett falle, kann ich nicht anders, als mich dafür zu hassen, dass ich mich heute so verwundbar gemacht habe. Ich habe alle Zurückhaltung aufgegeben und wusste, was ich tue. Aber Luis hat mir nicht erzählt, dass er mit Drogen dealt – daher gelten ab sofort neue Spielregeln.
Der Sonntagmorgen ist da, und ich wache in der Hoffnung auf, dass Granny begonnen hat, eigenständig zu fressen.
»Wie macht sich Granny?«, frage ich Sue.
»Sie frisst kaum etwas. Sie scheint tatsächlich depressiv zu sein.«
Ich gehe zu ihrem Zwinger und setze mich zu ihr.
Granny schnüffelt in der Luft, kaum dass ich den Käfig öffne. »Hallo, mein Mädchen«, sage ich, während ich gleichzeitig die Hand ausstrecke und ihr den Weg zu meinem Schoß weise. »Hast du mich vermisst?«
Ihre Antwort ist ein Schwanzwedeln. Sie wirkt dünn. Zu dünn.
Ich kraule sie hinter den Ohren und sie rollt sich auf den Rücken. Als sie zufrieden scheint, nehme ich etwas Futter aus ihrem Napf und füttere sie mit der Hand. Sie frisst aus meiner Hand, wenn ich sie ihr direkt unter die Nase halte.
»Möchtest du, dass ich dich mit nach Hause nehme?«
Sie antwortet, indem sie ihre Schnauze an meinem Bein reibt.
»Ich muss nur noch meine Eltern überzeugen, es mir zu erlauben«, sage ich zu ihr.
Als ich zu Hause bin und meinen Eltern von Granny erzähle, sagen sie beide, dass ich sie nicht haben darf.
»Du hast viel zu viel zu tun«, sagt Mom.
»Und wenn du erst aufs College gehst, was dann?«, sagt Dad.
»Aber sie ist alt und blind und haust in einem Käfig! Wenn ihr alt und blind wärt, würdet ihr eure letzten Tage dann in einem Käfig verbringen wollen?«, argumentiere ich.
Mom tätschelt meine Hand. »Nikki, wir finden es bewundernswert, dass du diesem Hund helfen willst, aber …«
Ich seufze. »Aber … könntet ihr sie euch nicht erst mal anschauen? Lernt sie kennen und trefft dann eure Entscheidung, okay? Ich bin sicher, sie wäre ein tolles Haustier, und ich weiß, wenn ihr erstmal einen Blick auf sie geworfen habt, werdet ihr ganz meiner Meinung sein.«
Sie sehen mich beide an, als wäre ich mitleiderregend. Ich weiß, was sie denken. Dass ich versuche, mich um ein bedürftiges Tier zu kümmern, weil ich gebraucht werden will. Wir haben dieses Thema zur Genüge durchgekaut. Vielleicht haben sie recht. Ich kann nicht anders, als mich zu den weniger glücklichen Hunden hingezogen zu fühlen, die ins Heim kommen – zu denjenigen, die hilflos scheinen. Ich bin jedes Mal auf der Seite der Underdogs.
»Ich sag dir was«, meint Dad. »Falls Granny nächstes Wochenende immer noch im Heim ist, werden deine Mutter und ich sie uns ansehen.«
Ein breites Grinsen breitet sich auf meinem
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