Du oder die grosse Liebe
seit sie mich Samstagnacht von der Polizeiwache abgeholt hat. Noch dazu lauert im Hintergrund irgendwo Chuy, der behauptet, ich sei längst ein Latino Blood; Nikki, die mich für ein Stück Scheiße von einem Drogendealer hält; Peterson, die mir im Nacken sitzt; ein Cop, der sich an mi’amá ranmacht – und um allem die Krone aufzusetzen, werde ich jetzt auch noch gefeuert.
Man kann sagen: Die Hölle lässt grüßen.
Ein großer schwarzer SUV hält neben mir. Es ist Chuy. »Hey, Fuentes. Steig in den Wagen.«
Seit meiner Kindheit ist mir bewusst, dass ich mich besser von Chuy fernhalte. Ich habe einmal Alex zu Paco sagen hören, dass Chuy ein durchgeknallter Motherfucker sei, der dir im einen Moment schwört, dein bester Freund zu sein, und dir im nächsten eine Knarre an den Kopf hält. Chuy ist jetzt älter, mit wettergegerbter Haut und leerem Blick. Mi’amá hat mir erst kürzlich wieder befohlen, mich von ihm fernzuhalten. Aber ich habe keine Angst vor ihm und möchte wissen, was er vorhat. Mir ist nicht klar, ob das bedeutet, dass ich tough bin oder einfach nur dämlich.
Ich steige ins Auto und bewundere die glänzenden Ledersitze und die geile Musikanlage. »Wo fahren wir hin?«
»Zum Lagerhaus.« Er bläst Rauch von seiner Zigarre aus. Die Schwaden hängen im Wagen, bevor sie sich allmählich auflösen. »Bist du je da gewesen?«
»Nein.«
»Dann wird es Zeit, amigo .« Er fährt durch die Stadt. Mir fällt auf, dass er immer wieder in den Rückspiegel schaut und sich nach allen Seiten umsieht, wahrscheinlich um sicherzugehen, dass uns niemand folgt. Er biegt blitzschnell in eine kleine Straße zwischen den Bahngleisen und einem Gewerbegebiet. Es dauert nicht lange, und wir fahren durch ein bewaldetes Gebiet, wo wir auf ein Gebäude stoßen, an dem ein großes Schild hängt, auf dem QUINTERO SHIPPING AND RECEIVING steht. Es war schon immer ein Ort, wo die Latino Blood sich getroffen hat. Und jetzt, da Chuy zurück ist, brummt das Leben hier wieder.
Ich nehme das alles in mich auf, während ich mich frage, wie es kommt, dass dieser Typ mir vertraut.
»Komm mit«, sagt Chuy. »Wir müssen uns unterhalten.«
Ein paar Kerle lungern vor dem Eingang rum. Er grüßt sie mit dem Latino-Blood-Zeichen, und sie grüßen zurück, bevor die Menge sich teilt und uns durchlässt.
Er führt mich zu einem Raum an der Seite mit einer riesigen Ledercouch, vor der ein großer Flachbildfernseher steht.
»Setz dich«, befiehlt Chuy, nimmt sich eine weitere Zigarre und zündet sie an.
Ich will wissen, was er verflucht noch mal von mir will, und zwar ohne den ganzen Bullshit. »Ich bleib lieber stehen.«
Er zuckt mit den Schultern, dann setzt er sich auf die Couch und legt seine Füße auf den niedrigen Tisch vor ihm. »Ich will, dass wir Freunde sind. Ich habe dich im Auge behalten, seit du Fairfield verlassen hast. Du bist ein kluger Bursche, Luis. Klüger als die meisten pendejos da draußen.«
»Du hast die Scheiße aus meinem Bruder geprügelt und ihn vermeintlich tot liegen lassen. Du willst nicht mit mir befreundet sein, Chuy. Du willst mich als Bauer in deinem Spiel benutzen.«
»Wir sind alle Bauern, Luis. Das Entscheidende ist, dass die Latino Blood dich braucht und du an der Reihe bist, anzutreten. Jeder muss irgendwann mal antreten.«
»Um den Platz meines Bruders einzunehmen?«
»Klar, wenn du es so sehen willst. Die Blood kommt nach Fairfield zurück. Du kämpfst entweder für oder gegen uns. Alex wusste, was auf dem Spiel steht, und war klug genug, sich uns anzuschließen. Er wusste aber auch, welche Konsequenzen es haben würde, die Bruderschaft zu verlassen. Er ist draußen. Damit ruht die Bürde jetzt auf deinen Schultern.«
»Was soll das heißen?«
Er zieht eine Glock aus dem Hosenbund seiner Jeans, legt sie mit einem lauten Tok auf den Wohnzimmertisch und sieht dann mit ernster, unbewegter Miene zu mir hoch. »Du willst doch bestimmt deine Familie beschützen, oder?«
24
Nikki
Ich bin eine Gerechtigkeitsfanatikerin. Die Tatsache, dass Luis angedeutet hat, ich hätte ein vorschnelles Urteil über ihn gefällt, ist einfach …
Okay, vielleicht habe ich ihn verurteilt. Aber die Beweise lagen für alle sichtbar neben seinen Füßen.
Während des Abendessens bringe ich keinen Bissen runter. Der verletzte Ausdruck auf Luis’ lädiertem Gesicht, nachdem ich ihm vorgeworfen hatte, mit Drogen zu dealen, führt dazu, dass ich mich schrecklich fühle. Nach dem Essen gehe ich zu Kendall.
In
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