Du oder die grosse Liebe
Krankenhaus in Deutschland entlassen wird. Er sieht gut aus, aber als er aufsteht, entgeht mir nicht, dass es ihm Schmerzen bereitet.
»Hey, großer Bruder!«, sage ich. »Haben sie dich früher entlassen?«
»Ich hab’s im Krankenhaus nicht ausgehalten, daher habe ich sie gezwungen, mich früher nach Hause zu schicken. Ich hätte dich fast nicht erkannt«, sagt Carlos und mustert mich von Kopf bis Fuß. »Du schleppst da ein paar üble Kratzer mit dir rum. Wie sieht der andere Kerl aus?«
»Du meinst die anderen fünf Kerle?«
Carlos pfeift anerkennend, als er sich zu Alex umdreht. »Unser kleiner Bruder hat sich in einen anständigen Fighter verwandelt, während ich weg war.«
»Damit erzählst du mir nichts Neues«, brummt Alex. »Frag ihn mal, mit wem er in letzter Zeit abhängt.«
Carlos hebt eine Augenbraue. »Mit wem hängst du ab, Luis?«
»Das geht dich nichts an. Alex, wo sind Brit und Paco?«
»Bei ihren Eltern zum Essen. Ich bin noch mal davongekommen, als ich erfahren habe, dass Carlos heute einfliegt. Also, Luis … ich habe vor ein paar Minuten eine SMS von Julio bekommen, in der stand, dass dein Boss dich vor die Tür gesetzt hat. Was ist im Country Club passiert?«
»Auch das geht dich nichts an.«
»Du bist unser kleiner Bruder«, sagt Carlos und nähert sich mir wie ein Soldat auf einer Mission. »Alles, was du tust, geht uns was an.«
Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist die Einmischung meiner Brüder, ganz besonders in diesem Moment. Ich würde Carlos wegstoßen, aber man kann davon ausgehen, dass er dort, wo das Schrapnell sich in seinen Muskel gebohrt hat, eine fiese Wunde an seinem Bein hat, geflickt mit einer mörderischen Anzahl von Stichen.
»Lass mich«, protestiere ich, aber meine Worte stoßen auf taube Ohren.
Carlos versucht, mich gegen die Wand zu drücken, wie er es immer gemacht hat, als wir noch Kinder waren. Ich bin zu schnell und außer Reichweite, aber es gelingt ihm trotzdem, mein T-Shirt zu packen und fest daran zu ziehen, damit ich mich umdrehe und ihn ansehe.
»Du trägst ’ne Knarre, oder?«, sagt er, als er mein T-Shirt loslässt.
Mist. Erwischt. Alex fährt wie der Blitz vom Sofa hoch. Er stellt sich neben Carlos, und meine beiden Brüder bilden einen menschlichen Schild, der mich daran hindert, abzuhauen.
»Gib sie mir«, knurrt Alex.
Carlos schüttelt den Kopf. »Verdammt noch mal, Luis! Bist du etwa ein Blood?«
Ich höre, wie sich die Haustür öffnet und mi’amá ruft: »Was ist hier los?«
Reyes ragt in seiner Uniform hinter ihr auf.
Carlos stellt sich sofort schützend vor mich. »Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«, fragt er.
»Carlos«, fährt ihn mi’amá zurechtweisend an. »Sei nicht so unhöflich. Ich habe Cesar zum Abendessen eingeladen.«
»Wer zum Teufel ist Cesar?«, fragt Carlos.
»Unser Nachbar von nebenan«, erkläre ich. »Und unser Vermieter.«
Carlos guckt von mir zu Alex und weiter zu mi’amá . »Soll das ein Scherz sein?«
»Ich fürchte nicht«, sagt Alex.
Mi’amá bringt die Einkäufe in die Küche, dann kommt sie zurück ins Wohnzimmer. »Wieso bist du so früh zu Hause, Luis?«
»Ich bin gefeuert worden.«
Sie blinzelt ein paar Mal schockiert. »Gefeuert?«
»Sie wollten nicht, dass ein Angestellter mit blauen Flecken ihre Gäste bedient.«
Mi’amá schüttelt enttäuscht den Kopf und seufzt. Verdammt, ich glaube, sie bricht jeden Moment in Tränen aus. Ich frage mich, ob es ist, weil Officer Nett & Freundlich hier ist. Sie entschuldigt sich und flüchtet mit düsterem Blick in die Küche.
Reyes macht einen Schritt nach vorn und streckt Carlos die Hand hin. »Du musst Carlos sein. Deine Mutter ist sehr stolz, dass du deinem Land dienst. Es ist schön, dich endlich persönlich kennenzulernen.«
Während Carlos und Reyes Hände schütteln, schlägt Alex mir auf die Schulter und sagt: »Luis und ich sind gleich wieder da.«
In meinem Zimmer, das früher unser Zimmer war, macht Alex einen auf Ersatzvater. »Ich hoffe sehr für dich, dass du nicht mit Drogen dealst«, flüstert er barsch, sodass Reyes uns nicht hören kann.
»Tu ich nicht.«
»Warum haben sie dich gefeuert? Verarsch mich nicht.«
»Es war nicht, weil ich in einer Gang bin, Alex. Ich habe doch schon erzählt, dass es wegen der Prellungen in meinem Gesicht war … und weil ich zu spät gekommen bin«, füge ich hinzu.
»Warum warst du zu spät?«, fragt Alex, der noch lange nicht bereit ist, sein Verhör abzubrechen. Ich finde, er
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