Du sollst nicht hassen
weltoffen. Es war ein Ort, wo Menschen aus aller Welt, aller Rassen und Religionen zusammenlebten, auch wenn ich mir des Konfliktes zwischen den Briten und der IRA bewusst war. Das Einzige, was mich wirklich störte, war die Art, in der gebürtige Briten manchmal auf Leute herabsahen, die keine Engländer waren. Zum Glück traf das auf die Seminare nicht zu, sodass mein Studium davon nicht betroffen war.
Meine Forschungsarbeit gab mir einen Vorgeschmack auf das, was ich in diesem Fach leisten könnte, und ich war völlig hingerissen. Ich hatte viele Frauen unter Empfängnisschwierigkeiten leiden sehen. In einer männlich dominierten Kultur wie der meinen gibt man der Frau die Schuld an der Unfruchtbarkeit. Doch natürlich kann die Ursache der Unfruchtbarkeit genauso beim Mann liegen. Die Frau wird für das Geschlecht des Babys verantwortlich gemacht, auch wenn die Y-Chromosomen, die Söhne zeugen, ein ausschließlich männlicher Faktor im Zeugungsprozess sind. Ich wollte Männer über die Fakten aufklären, damit sie damit aufhörten, den Frauen die Schuld zu geben, und ich wollte diese Frauen vom beschämenden Gefühl befreien, »steril« zu sein. In meiner Kultur sind unheilvolle Ausdrücke wie »ein fruchtloser Baum sollte gefällt werden« allgemein verbreitet. Ich wollte die Menschen aufklären, damit sie nie wieder solche Dinge über Frauen sagen würden.
Wenn man mit Paaren arbeitet, die versuchen, ein Kind zu bekommen, weiß man, wie schmerzhaft das für sie ist. Wie enttäuscht sie jeden einzelnen Monat sind, in dem die Empfängnis nicht glückt. Aber besonders schmerzlich ist es für die Frauen, und ich wollte meine Anstrengungen darauf richten, ihnen zu helfen.
Als meine Untersuchungen zur Unfruchtbarkeit Fortschritte machten und meine klinische Arbeit mit unfruchtbaren Paaren in London und Dschiddah hervorragende Ergebnisse zeigte, beschloss ich, meine berufliche Tätigkeit diesem Spezialgebiet zu widmen. Nachdem ich 1989 die Weiterbildung beendet hatte, kehrte ich nach Saudi-Arabien und auf meine Stelle auf der Entbindungsstation von Al-Azizyah zurück. Ich war so froh, wieder mit meiner Familie zusammen zu sein. Doch Nadia, die in Dschiddah geblieben war, um sich um Bessan und Dalal, unsere zweite Tochter, die während meines London-Aufenthalts geboren worden war, zu kümmern, wollte nach Gaza zurückkehren. Saudi-Arabien war viel konservativer als Gaza; wir fühlten uns fremd, auch wenn die Saudis als unsere arabischen Brüder galten. Ich konnte mich nicht frei bewegen, und ich machte mir Sorgen, dass ich als Außenseiter mit meiner beruflichen Karriere nicht weiterkommen würde. Also entschieden wir abzureisen, aber es war nicht einfach damit getan, die Sachen zu packen und ins Auto zu steigen. Als Gegenleistung für die Zusatzqualifizierung, die ich durch Saudi-Arabien erhalten hatte, hatte ich zustimmen müssen, für drei Jahre im medizinischen Dienst zur Verfügung zu stehen. Erst wenn diese Verpflichtung erfüllt war, würden wir heimkehren können.
Das Leben war weiterhin kompliziert: Politik und Krieg beeinflussten alles. Die Ereignisse des Zweiten Golfkriegs erschwerten die Bedingungen für die Palästinenser in den Golf-Staaten. Im August 1990 äußerte sich Jassir Arafat so, als würde er Saddam Husseins Einmarsch in Kuwait gutheißen, und plötzlich waren die Palästinenser in Saudi-Arabien unerwünscht. Zum Glück befanden meine Arbeitgeber im November 1990, dass ich meine Verpflichtungen im Krankenhaus von Dschiddah erfüllt hätte, und Nadia und ich konnten mit unseren Töchtern nach Hause fahren. Als am 17. Januar 1991 der Luftkrieg gegen den Irak begann, waren meine Familie und ich zurück in Gaza.
Als wir zu Hause ankamen, war die Intifada noch immer in vollem Gange. An jeder Ecke sah man israelische Gewehre und Panzer. Als sei der ganze Wahnsinn noch nicht genug, kam es auch noch zu einem Blutvergießen unter Brüdern. Schätzungsweise eintausend Palästinenser wurden der Kollaboration mit den Israelis beschuldigt und von unseren eigenen Leuten hingerichtet, obwohl es keinerlei Beweise für irgendwelche geheimen Absprachen gegeben hatte. Als die Erste Intifada am 20. August 1993 mit dem Osloer Abkommen endete, waren über 2100 Pa lästinenser tot, 1000 von der Hand ihrer eigenen Brüder und 1100 von israelischen Soldaten getötet. 160 Israelis waren von den Palästinensern getötet worden.
Das Ergebnis der Intifada ist schwer zu beurteilen. Sicher hat die Welt den
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