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Du sollst nicht hassen

Titel: Du sollst nicht hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Izzeldin Abuelaish
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Mein Traum war es immer noch, eine offizielle Facharztausbildung in Geburtshilfe und Gynäkologie zu machen, aber das erforderte einen immensen Zeitaufwand – vier Jahre –, und auch das Finanzielle wollte bedacht sein. Lange Zeit war ich skeptisch, ob dieser Traum Wirklichkeit werden könnte.
    Während ich zwischen meiner Stellung bei den Vereinten Nationen in Gaza und der Hospitanz am Soroka pendelte, wurde ich zur Teilnahme am ersten Weltkongress zu Geburtswehen und Entbindung in Jerusalem 1994 eingeladen. In Jerusalem versuchte ich, die jüdische Familie ausfindig zu machen, für die ich als Teenager gearbeitet hatte. Ich hatte immer wieder an sie gedacht, aber nie zuvor versucht, ihren Hof aufzusuchen. Da ich von Jerusalem nach Soroka zurückfahren musste, beschloss ich, dass dies der richtige Zeitpunkt war, die Familie, die mir ermöglicht hatte zu erkennen, wie klein der Unterschied zwischen unseren zwei Völkern in Wirklichkeit ist, zu besuchen. Ich brannte darauf, ihnen zu zeigen, dass der palästinensische Jugendliche, der einmal für sie gearbeitet hatte, ein Arzt geworden war, dem es gut ging. Dieses Wiedersehen hatte ich mir seit Langem vorgestellt. Ich wusste, dass sie nahe eines Dorfes namens Hodaiah lebten, irgendwo an der Straße von Jerusalem nach Be’er Scheva. Aber wo genau war es gewesen? Würde ich es wiederfinden? Die Gegend hatte sich sehr verändert, und die Großeltern würden in ihren Achtzigern sein. Ich fragte mich, ob sie noch lebten.
    Ich fand das Gehöft schließlich, und es war die Enkelin, die damals, als ich abreiste, erst wenige Tage alt gewesen war, die die Tür öffnete. Sie fragte mich, was ich wollte. Ich antwortete: »Ich möchte deinen Vater sehen.« Ich hatte auch für ihren Großvater gearbeitet, aber es war ihr Vater, den ich am besten kannte.
    Er saß auf dem Sofa am Fenster. Er hatte das arabische Nummernschild bemerkt, als ich mit dem Wagen in die Auffahrt eingebogen war, und er hatte angenommen, dass ich ein arabischer Geschäftsmann wäre, der ihnen etwas verkaufen wollte. »Erkennst du mich nicht?«, fragte ich. »Ich sage dir, wer ich bin. Ich bin Izzeldin, der hier gearbeitet hat.« Da sprang er vom Sofa auf, küsste und umarmte mich. Als seine Frau mich sah, umarmte auch sie mich und nannte mich ihren Sohn. Sie sagte: »Izzeldin, ich erinnere mich an dich, du warst der Junge, der in den Hühnerställen arbeitete und sich immer die Nase zuhielt, weil er den Gestank nicht ertragen konnte. Ich hatte Mitleid mit dir und dachte, es sei nicht die richtige Arbeit für einen jungen Burschen.«
    Ich war so glücklich, dass ich die Familie gefunden hatte und sah, dass sie alle am Leben waren und es ihnen gut ging. Ich war froh über die Gelegenheit, ihnen zu erklären, wie viel mir der Sommer auf ihrem Hof bedeutet hatte; dass die Zeit bei ihnen mir gezeigt hatte, dass Juden und Palästinenser wie eine Familie sein könnten. Sie sagten mir, dass sie nie erwartet hätten, dass aus einem Ort wie dem Flüchtlingscamp von Jabaliya, einem Ort voller Kämpfe und Feindseligkeit, ein Arzt hervorgehen könnte. Ich wollte ihnen die Zuneigung, ja die Liebe, zeigen, die ich für sie empfand. Denn ich hatte erfahren, wie viel wir erreichen können, wenn wir die Schranken niederreißen, die uns daran hindern, unsere Träume zu verwirklichen.
    Wieder zurück im Soroka Hospital, bestärkten mich meine Kollegen weiter darin, in der dortigen Abteilung für Geburts hilfe und Gynäkologie den Facharzt zu machen. Ich hatte bloß keine Ahnung, wie das gehen sollte. Ich betrieb immer noch meine Klinik in Gaza, verdiente genug Geld für meine Familie und kam regelmäßig nach Soroka, um mich mit meinen neuen Kollegen zu beraten und von ihnen zu lernen.
    Marek Glezermann schnitt die Weiterbildung so auf mich zu, dass sie passte, und empfahl mich als ersten palästinensischen Assistenzarzt in seiner Abteilung, verließ aber das Krankenhaus für eine andere Stellung, ehe er das Vorhaben zu Ende führen konnte. Er wurde durch einen anderen Leiter ersetzt, Moshe Mazor, der die Idee ebenfalls unterstützte, obwohl es nicht einfach war. Das Krankenhaus musste für vier verschiedene Zertifikate sorgen, ehe ich beginnen konnte. Ich musste einen speziellen Ausweis bei mir tragen, außerdem brauchte ich eine Arbeitserlaubnis, die für ein Jahr galt, eine Erlaubnis, die es mir ermöglichte, in Israel zu übernachten, wenn ich es nicht nach Hause schaffte, und eine spezielle Erlaubnis, die Grenze in

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