Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
hinhielt, sah ihn trotzig an und wählte die Nummer. Er runzelte die Stirn. Nach dem zweiten Klingeln erklärte eine aufgezeichnete Stimme, die Werkstatt habe jetzt geschlossen, und sagte die Öffnungszeiten an. Nicky fühlte sich gestärkt. Jedenfalls existierte die Welt da draußen noch.
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte sie. Aber ihr Gefühl sagte etwas anderes.
19
N icky brach zu einem Spaziergang auf. Sie musste zur Ruhe kommen, damit alles friedlich blieb. Ein weiterer Abend, um mehr ging es schließlich nicht. Vielleicht war es so am besten. So würde sie es am nächsten Morgen kaum erwarten können, endlich von hier wegzukommen.
Die Felder färbten sich braun unter der Sonne, dörrten aus, sahen nach Frankreich aus. Das angenehme Wetter war in eine Hitzewelle übergegangen, und die Pflanzen hatten des Guten schon zu viel gehabt. Sie fragte sich, ob das auch ein Bild für ihre … ihren Flirt war. Affäre konnte man es ja kaum nennen.
Plötzlich wünschte sie, sie wäre nie nach Spanien geflogen, hätte nie neben Adam in der Maschine gesessen. Und sie ärgerte sich über sich selbst, denn sonst gab es niemanden, dem sie etwas hätte vorwerfen können. Das hatte sie sich alles selbst zuzuschreiben, sie allein hatte sich in diese Lage gebracht.
Sie gelangte zu einer Gruppe von Nebengebäuden seitlich am Haus. Kaputte Gerätschaften standen herum, an der Scheunenwand lehnte ein altes Fahrrad, in der Luft lag der Geruch von Verfall. Von den Schuppen ging sie weiter zu der Weide, die Adams Mutter auf dem großen Bild im Billardzimmer verewigt hatte, schlüpfte unter dem dichten Blättervorhang hindurch und umrundete den mächtigen Stamm. Sie konnte auch einfach gehen – das blöde Auto stehen lassen und den Pfaden durch das Gelände folgen, bis sie zur Straße kam. Andererseits sah sie sich als jemanden, der Dinge durchzog, der bis zum Ende ausharrte. Also kehrte sie widerstrebend zum Haus zurück.
Er stand im Salon und starrte hinaus auf den Rasen.
»Lass uns was trinken«, sagte sie.
Seine Augen verengten sich, und er zuckte die Achseln. »Wie du willst, Nicky.«
Sie gingen zum Weinkeller.
Nicky holte eine Flasche aus dem Regal und wischte den Staub vom Etikett. Da sie keine Kennerin war, hatte sie aufs Geratewohl zugegriffen. Sie war noch dabei, das Etikett zu studieren, als sie die drei Stufen hinaufging. Plötzlich knackste etwas unter ihr, sie taumelte und stürzte nach vorn. Aus den Augenwinkeln sah sie noch, wie Adam zusammenzuckte und herumfuhr, und dann spürte sie den Schmerz in der Hand. Eine der drei Stufen war unter ihr eingebrochen, und bei ihrem Sturz war die Flasche auf dem Steinboden in Scherben gegangen. Sie schnappte nach Luft, als sie Blut und Rotwein über ihre Hand laufen sah. Dann spürte sie den Schmerz im Bein und schrie auf.
Adam griff ihr unter die Arme und zog sie hoch. Sie stöhnte und fluchte, als er das Bein aus der geborstenen Stufe befreite. Keuchend lehnte sie an einem Schrank und starrte auf die kaputte Treppe. In ihrer Hand klaffte eine Schnittwunde. Sie war nicht allzu tief, also versuchte sie, ruhig zu bleiben. Adam stürzte fluchend davon. Sie hörte ihn in der Küche herumklappern, dann kam er mit einem Geschirrtuch zurück und wickelte es ihr um die Hand. Als sie vorsichtig den Fuß auf den Boden stellte, schoss der Schmerz bis in den Oberschenkel.
»Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
»Ganz ruhig.« Er hockte sich hin und besah sich den Fuß mit den tiefen hellroten Schrammen aus der Nähe.
»Das brennt wie verrückt.«
»Sieht schlimm aus. Kannst du ihn belasten?«
Sie versuchte es und jaulte auf. »Nein.«
»Ich trage dich.« Er hob sie hoch und brachte sie zum Sofa im Salon. »Leg ihn hoch.«
Hastig suchte er ein paar Kissen zusammen und schob sie ihr unter den Fuß. Dann ging er.
Sie wickelte das Tuch von der Hand und drückte die Wunde zusammen. Es blutete schon nicht mehr so stark, der Schnitt brauchte nicht genäht zu werden. Trotz der Hitze zitterte sie am ganzen Leib. Sie hatte tatsächlich einen Schock erlitten. Sie begutachtete ihren Knöchel und meinte zuschauen zu können, wie er anschwoll. Tiefe Hoffnungslosigkeit beschlich sie, Tränen traten ihr in die Augen.
Es war niemandem ein Vorwurf zu machen. Sie war diese Treppe heil hinuntergekommen, und Adam war sie schon heil wieder heraufgekommen. Er konnte nichts dafür.
Wie du willst, Nicky
… Sie schüttelte den Kopf. Nein, so hatte er das nicht gemeint, oder? Sie hörte die
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