Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
ihrer Auffahrt hatten früher ständig kaputte Autos herumgestanden, an denen ihr Vater herumgewerkelt hatte. Stundenlang hatte sie ihm dabei zugeschaut, später auch geholfen. Adam hatte davon keine Ahnung. Das war ein kleiner Triumph, auch wenn er bitter schmeckte. Für Adams Generation kamen Pkw aus Osaka, wo sie von Robotern montiert wurden. Zu den Ritualen seiner Mannwerdung hatte es nicht gehört, sich unter ein Auto zu legen und mit verschmierten Händen wiederaufzutauchen. Sie konnte etwas, das er nicht beherrschte. Sie würde jetzt dieses Rad wechseln und dann endgültig verschwinden. Sie musste weg von hier, verdammt –
sofort.
Der nächste Morgen im Büro kam ihr in den Sinn. Deadlines, Büroklüngelei, Nachrichtenticker, Waschen und Bügeln – das waren die Dinge, auf die ihre Gedanken sich jetzt richteten.
Sie begann, an dem Ersatzrad zu zerren. Adam war ihre Rettung.
»Komm, ich helfe dir. Nicht mit Gewalt.«
Er hob das Rad heraus, und gemeinsam rollten sie es nach vorn. Nicky holte den Wagenheber, öffnete die Hülle und schälte das schwere Metallteil heraus. Vor ihr hockte Adam und sah sich das Vorderrad an.
»Du hast ein Problem.«
»Was du nicht sagst, Sherlock!«
»Ich glaube, so was heißt platzsparendes Ersatzrad. Schau, es ist kleiner als das richtige. Es braucht weniger Platz im Kofferraum, aber du kannst damit nur sehr langsam fahren, und bis nach London kommst du wahrscheinlich nicht. Das ist nur dazu gedacht, dass du es bis zur nächsten Werkstatt schaffst. Und die machen es dann richtig.«
»Wir wechseln es jetzt, und dann ist es für mich schon richtig.«
Adam zuckte die Achseln und widersprach nicht weiter. Er half ihr, den Wagenheber aufzustellen, und machte sich an den Radmuttern zu schaffen. Sie gaben keinen Millimeter nach.
»Ich versuch’s.«
Zunehmend frustriert beobachtete sie, wie seine Armmuskeln sich spannten und gegen die Muttern stemmten, ohne dass etwas passierte.
»Die sind maschinell festgezogen.« Er strengte sich an, das war nicht zu übersehen, aber es tat sich absolut nichts. Das kaputte Rad würde sich unmöglich abnehmen lassen, das brauchte er ihr nicht mehr zu erklären.
Als ein Flugzeug über das Haus hinwegdröhnte, fluchte Nicky laut.
»Gib mir dein Telefon.«
Er reagierte nicht.
»Kann ich bitte mal dein Telefon haben?« Sie streckte die Hand aus.
»Du musst nicht fahren.«
»Ich
muss
nicht fahren, ich
will.
« Nicky verschränkte die Arme. So hatte sie sich eher unter Kontrolle, so rastete sie vielleicht nicht aus, wozu nicht viel fehlte.
»Ich verstehe das nicht. Du bist so scharf drauf, nach Hause zu kommen – warum eigentlich? Wozu?«
»Warum? Ich will zu meiner Arbeit, meinem Mann, meiner Familie, meinen Freunden, meinen Pflanzen. Ich will es meinetwegen, Adam.«
»Greg ist endlos weit weg. Er wird nie erfahren, dass du hier bist. Bleib doch einfach noch ein paar Tage. Ich brauche dich hier, ehrlich. Wir werden Spaß haben …«
»Gib. Mir. Dein. Telefon.«
»Wenn du versprichst, dass du noch bleibst, hole ich es.«
»Versuch nicht, mich zu erpressen.«
Sie fixierten einander, und Nicky hielt durch. Er war derjenige, der aufgab.
»Ist ja gut, entspann dich.« Er ging in die Küche und holte das Handy. Der Akku war nur noch zu einem Drittel geladen.
»Es wär besser, wenn du morgen in der Werkstatt anrufst. Jetzt ist es schon nach sechs, die haben sowieso zu.«
»Ich rufe den Pannendienst.«
»Warte! Überleg doch mal, bevor du sinnlos den Akku strapazierst. Diese Leute montieren dir auch nur das Ersatzrad, mit dem du nicht mal bis nach London kommst. Warte bis morgen früh, ruf dann die Werkstatt an, und die reparieren dir den Wagen richtig. Dann brauchst du dich in London nicht mehr um ein neues Rad zu kümmern. Und der Radwechsel erscheint nicht auf Gregs Werkstattrechnung. Da vermeidest du sogar noch unangenehme Fragen.«
Sie dachte eine ganze Weile nach. Was er sagte, war natürlich nicht von der Hand zu weisen. Das war wieder eine dieser komplizierten Situationen, mit denen das Leben einen auf die Probe stellte. Sie benahm sich wie ein verwöhntes Gör. Wenn sie ein Taxi rief, sich zum nächsten Bahnhof fahren ließ und den Zug nahm, hatte sie immer noch das Problem, dass sie Gregs Auto hier abholen musste. Dann musste sie auf jeden Fall noch einmal herkommen. Keine Frage, es war besser, bis zum nächsten Tag zu warten, alles in Ordnung zu bringen und dann zu verschwinden.
Sie nahm die Visitenkarte, die Adam ihr
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