Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
beide zusammenzuckten. Rammstein, Damiens Lieblingsband. Er trommelte mit seiner freien Hand auf das Bootsdach. »Das ist Eisenmann. Ich liebe dieses Lied.«
»Es ist gut«, sagte sie zerstreut. »Aber Damien, jetzt hör mir bitte mal zu. Ich muss mit dir über 24/7 reden …«
Er lächelte. »Wo wir gerade beim Thema sind …« Er hob seine Bierflasche und stieß mit ihr an. »Auf uns Nachtschwärmer!«
Sie wollte etwas erwidern, als er sich vorbeugte und sie mit einem Kuss zum Schweigen brachte. Dann wanderten seine Lippen bis zu ihrem Ohr, und er flüsterte: »Fast vermisse ich die Anfangszeit. Die ersten Wochen voller Freiheit. Es war toll, als wir noch ganz wenige waren. Etwas Besonderes. Jetzt machen es alle. Na ja, sieben von zehn erwachsenenLondonern.« Er grinste sie schräg von der Seite an. »Die Zahl habe ich aus einem Sentinel- Artikel, es muss also stimmen.«
Cynthia starrte aufs Wasser. Sie nahm einen Schluck Bier, bevor sie antwortete. »Ehrlich gesagt war Marcus’ Artikel etwas irreführend. Er hat unterschlagen, dass die Londoner Zahlen auch deswegen so beeindruckend klingen, weil inzwischen alle Schläfer raus aufs Land ziehen, wo es nicht so viele Shifter gibt. Für die Leute hier ist es bei all den zusätzlichen Straßenlaternen und dem Verkehrslärm rund um die Uhr ziemlich schwer, Schlaf zu finden.«
Damien rutschte etwas zu ihr hin, sodass sich ihre Beine berührten, und fuhr mit einem Finger über ihr Handgelenk. »Vergiss die Schläfer«, sagte er. »Wenn sie sich am Arsch der Welt langweilen wollen – viel Spaß dabei! Von mir aus dürfen sie die Stadt gern den Leuten überlassen, die wach bleiben und sie genießen. Sich gegenseitig genießen.«
Er lächelte, und Cynthias Wangen brannten. Schluss mit den Ausreden – es wurde höchste Zeit, ihm die Wahrheit zu sagen. Jetzt sofort. Sie holte tief Luft. »Was ich dir eigentlich sagen wollte, Damien …«
Ein Geräusch unterbrach sie. Ein seltsames Heulen, das ihr irgendwie bekannt vorkam. Sie verstummte verwirrt, versuchte es einzuordnen. Sie starrte in die Dunkelheit und sah nichts als eine Wand aus Bäumen.
»Was …«, sagte sie, als die Bäume plötzlich endeten und einem niedrigen Zaun wichen. Dahinter befanden sich eine Betonhöhle und ein paar strategisch platzierte Felsbrocken. Das Geheul ertönte erneut.
»Was ist denn das?«, rief Damien.
»Ein Afrikanischer Wildhund«, sagte Cynthia zerstreut. Jetzt konnte sie den Erfrischungskiosk erkennen. Sie drehte sich um. Ja, und da war das Metallnetz der Vogelvoliere.
Adrian kam auf sie zu, einen frischen Eimer mit Eis undBierflaschen in der Hand. Er gab ihnen noch je ein Corona und wies dann mit dem Kinn zur Reling. »Viel Spaß!«, sagte er. »Nur so kann man etwas sehen, ohne zwanzig Pfund abdrücken zu müssen. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass sie einen ›Nachtzoo‹ mit lauter nachtaktiven Tieren aufmachen wollen, damit sie rund um die Uhr geöffnet haben können.«
»Zwanzig Pfund«, wiederholte Damien und starrte auf den in der Dunkelheit daliegenden Zoo. »Das ist aber ziemlich heftig! Was gibt’s denn da zu sehen? Nilpferdhäuser von Philippe Starck?«
Cynthias Gedanken überschlugen sich. Warum hatte sie den Kanal nicht gesehen, als sie mit Nick hier gewesen war? Dann fiel ihr der Bereich hinter den Tiergehegen wieder ein, dort, wo der Boden abgefallen und aus dem Blickfeld geraten war, bis er wieder steil anstieg. Sie hätte den Kanal nur bemerkt, wenn ein Boot vorbeigefahren wäre.
»Ist auf diesem Kanalabschnitt viel los?«, fragte sie Adrian.
Er zuckte die Achseln. »Eigentlich nicht. Vielleicht an sonnigen Wochenenden, da kommen öfter mal ein paar Leute vorbei, um einen verbotenen Blick auf die Warzenschweine zu werfen.«
Cynthia durchzuckte der bekannte Adrenalinstoß. Blitzschnell ging sie in Gedanken die Opfer des Barbie-Killers durch: Mary Davies, die auf dem Camden Market gefunden worden war, gleich neben dem Kanal. Lisa Reed, die in der Schleuse getrieben hatte, dort, wo das Kanalnetz auf die Themse traf. Und was war mit den Meanwhile Gardens? Sie wühlte in ihrem Gedächtnis. Hatte sie nicht einen Wasserweg auf der einen Parkseite gesehen … oder bildete sie sich das jetzt nur ein? Aber in Islington hatte es ganz sicher eine Wasserstraße gegeben, unweit des Abflussrohrs, in dem man die Leiche gefunden hatte. Sie konnte sich noch genau daranerinnern, dass ein Schwan unter der Brücke hindurchgeschwommen war.
»Wo genau sind wir jetzt?«, fragte
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