Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
das Mittel erfahren und würde deshalb aufhören, es zu nehmen. Aber was war das für eine Beziehung, in der sie nicht wagte,zu dem zu stehen, was sie für richtig hielt? Ja, sie liebte Damien, die Zeit ohne ihn war furchtbar gewesen, aber … so ging es nicht. Sie würde es ihm sagen.
Als sie den Whiskey vor Damien hinstellte, griff er sofort danach und stürzte ihn in einem Zug hinunter. Dabei bemerkte sie einen rostfarbenen Fleck auf seinem Ärmel. Blut. Damien merkte, dass sie ihn gesehen hatte, und bedeckte ihn mit seiner Hand. »Keine Sorge, das ist nicht meines«, sagte er mit einem verkrampften Lächeln. »Ich bin in eine, äh, Rauferei geraten.«
»Wer …«, begann Cynthia, überlegte es sich jedoch anders. Sie konnten später darüber reden. Sie durfte sich jetzt nicht vom Thema abbringen lassen. Sie holte tief Luft und sagte: »Ich hatte auch einen ziemlich harten Tag. Ehrlich gesagt, wollte ich mit dir darüber …« Sie verstummte, als sie sah, dass er ihr gar nicht mehr zuhörte. Er schaute an ihr vorbei zur Tür. Sie folgte seinem Blick und sah, dass sechs, sieben Studenten hereingekommen waren. Sie zogen gerade ihre Jacken aus. Darunter trugen sie T-Shirts mit Slogans wie »Komm und schlaf in meinen Armen ein!« oder »Shifter sind zum Gähnen«. Die Luft im Old Duck war wie zum Schneiden. Sämtliche Gespräche waren verstummt, wie wenn im Western die Saloon-Türen aufschwangen und der Bösewicht mit schwarzem Hut dastand. Die Menge teilte sich um die Neuankömmlinge herum.
Cynthia sah zu, wie die Schläfer hinter ihrem Anführer, einem jungen Mann mit blondem Pferdeschwanz, zur Bar gingen. Direkt hinter ihm lief eine hübsche Schwarze mit John-Lennon-Brille. Ein Mann an einem der ersten Tische stellte ihr ein Bein. Sie fiel hin, und ihre Brille ging zu Bruch. Einer ihrer Freunde half ihr auf. Ihr Anführer stand an der Bar und stritt sich mit dem Mann dahinter. Cynthia schnappte die Worte »unverschämte Diskriminierung« auf. Eine Menschenmenge scharte sich um die Schläfer, kesseltesie ein. Im Raum brodelte es förmlich vor Gewaltbereitschaft.
»Schau dir die Untoten an!«, sagte Damien tonlos. »Ich wundere mich nur, dass sie es geschafft haben, lange genug wach zu bleiben, um sich diese T-Shirts bedrucken zu lassen. Aber wahrscheinlich sind sie arbeitslos – da hat man viel Zeit.«
Cynthia schluckte. Ihr war übel. An der Bar wurde Geschrei laut.
»Ich will bloß ein Bier, warum könnt ihr uns nicht einfach in Ruhe …«
»Geht nach Hause ins Bett! Das ist doch das Einzige, was …«
Dann teilte sich die Menge und machte ein paar bulligen Typen in Old-Duck-T-Shirts Platz. Einer davon nahm den Mann mit dem blonden Pferdeschwanz am Ellbogen und zerrte ihn zur Tür. Die anderen Schläfer trotteten hinterher.
»Lauter Loser!«, murmelte Damien mit ausdruckslosem Gesicht.
Das war genug. Cynthia straffte sich und sah ihm direkt in die Augen. »Ich gehöre auch dazu«, sagte sie. Kaum hatte sie das ausgesprochen, war ihre Übelkeit verschwunden. Endlich war sie wieder sie selbst. Sie griff in ihre Handtasche, nahm die Kapsel heraus, die Damien ihr vor vielen Monaten gegeben hatte, und legte sie zwischen ihnen auf den Tisch. »Du kannst sie gern wiederhaben, denn ich werde sie nicht brauchen.«
Sie hob das Kinn und wartete auf seine Reaktion. Damien starrte erst auf die Shifter-Schimmer-Flecken unter ihren Augen, dann auf die Kapsel. Als er wieder aufsah, stand ihm Abscheu ins Gesicht geschrieben.
»Du hast mich also die ganze Zeit belogen«, sagte er leise.
»Ja. Und das tut mir leid. Aber es gibt etwas, das du überdieses Mittel wissen solltest. Es ist ganz und gar nicht ungefährlich. Ich habe gerade erfahren, dass …«
»Weißt du, was du bist?«, unterbrach er sie und beugte sich mit verengten Augen vor. »Du bist eine verdammte Lügnerin. Eine bemitleidenswerte, jämmerliche Kreatur.« Damit schnappte er sich die Kapsel und stand so schnell auf, dass sein Stuhl beinahe umgefallen wäre.
»Damien!«, rief sie und wollte ebenfalls aufstehen. »Du musst mir zuhören! Das Mittel …«
Er packte sie brutal am Arm und zerrte sie halb über den Tisch. Sein Gesicht war wutentbrannt, und einen Moment lang befürchtete sie, er würde sie schlagen.
»Mich interessiert nichts, was du mir sagen könntest«, zischte er. Dann ließ er sie los, nahm seine Jacke und ging zur Tür, wobei er einen stämmigen Gast anrempelte.
»He!«, rief der Mann, als Bier auf den Teppich schwappte. »Pass auf,
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