Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
sonst …« Aber Damien war bereits verschwunden.
Cynthia zitterte, so schockiert war sie über seine Reaktion. Sie konnte einfach nicht glauben, dass er sie gepackt, so etwas zu ihr gesagt hatte und dann einfach … hinausgestürmt war. Sie starrte zur Tür. Als der Schock nachließ, bekam auch sie eine Mordswut, die sie zunehmend überwältigte. Was für ein Dreckskerl. Gut, sie hatte ihn belogen. Aber es war keine bösartige Lüge gewesen. Sie hatte doch nur gelogen, weil sie ihn unbedingt wiederhaben wollte! Sie hatte Damien MacKay noch einiges zu sagen, und er würde ihr verdammt noch mal zuhören, ob es ihn nun interessierte oder nicht!
Sie rannte aus dem Pub und blieb kurz auf der Schwelle stehen, um sich umzusehen. Der Nachmittagsnieselregen hatte sich in einen richtigen Wolkenbruch verwandelt. Schirmbewehrte Passanten hasteten an ihr vorbei. Von denAutokolonnen stiegen Abgase auf. Da sah sie, wie Damien einen Block weiter die Straße überquerte. Sie lief ihm auf ihrer Straßenseite nach und musterte ihn über die Autodächer hinweg. Er eilte mit großen Schritten durch den strömenden Regen, war völlig durchnässt und hatte sie noch nicht bemerkt. Sie schlängelte sich zwischen den hupenden Fahrzeugen hindurch und hatte ihn gleich darauf eingeholt.
Damien war völlig überrumpelt, als sie ihn am Arm packte und ihn zwang, sich umzudrehen und sie anzusehen. Anscheinend hatte er gedacht, sie würde im Pub bleiben, in ihr Bier weinen und ihre Lügen sowie ihr Schläferdasein bereuen. Sie schäumte vor Wut.
»Du hattest recht mit dem, was du über mich gesagt hast!«, rief sie. »Zu hundert Prozent recht. Ich bin jämmerlich und bemitleidenswert. Und zwar deshalb, weil ich so blöd war, mich wegen meiner Liebe zu dir zu verbiegen und mich deinen bescheuerten Wünschen und Vorurteilen zu unterwerfen. Aber dass du mich als feige Kreatur bezeichnest, ist wirklich das Letzte.« Sie lachte verächtlich und baute sich in voller Größe vor ihm auf. Damiens Gesicht zeigte keine Spur von Wut mehr, sondern nur noch Erstaunen. Er trat einen Schritt zurück, so als könnte sie gefährlich werden. Aber ihre Finger umklammerten weiter seinen Ellbogen, und sie vollzog die Bewegung mit. »Willst du wissen, was wirklich feige ist, Damien? Eine Pille zu nehmen, um den eigenen Problemen zu entfliehen, statt den Mut zu haben, sich ihnen zu stellen. Tja, aber warum soll man sich seinen Dämonen ausliefern, wenn eine kleine Kapsel dafür sorgt, dass man sie ganz leicht hinter sich lassen kann, stimmt’s?« Er wich weiter zurück, aber sie trat einen Schritt vor und schloss die Lücke. Ein Schritt vorwärts, und einer zurück – es war wie ein Tanz. »Aber weißt du was, Damien? Früher oder später wirst du lernen müssen, mit deiner Schuld umzugehen. Ganz einfach, weil du vor der Sachemit dem Flugzeug nicht davonlaufen kannst. Deine Dämonen werden immer zurückkehren. Deshalb wirst du deinen Mann stehen und kämpfen müssen, egal, wie schwer es dir fällt oder wie lange es dauert. So etwas nennt man Mut.«
Kaum hatte sie das ausgesprochen, war Cynthias Wut plötzlich verraucht. Sie nahm ihre Umgebung wieder wahr und merkte, wie durchnässt sie war. Ihre Haare trieften, das Wasser lief ihr übers Gesicht, und ihre Bluse klebte förmlich am Körper. Sie ließ Damiens Arm los und stand fröstelnd vor ihm. Einen endlosen, schmerzhaften Moment lang wartete sie, dass er etwas sagte. Er musste doch spüren, dass alles, was sie gesagt und getan hatte, aus Liebe geschehen war. Er öffnete den Mund, und sie beugte sich instinktiv zu ihm vor.
Doch er machte auf dem Absatz kehrt und verschwand im Regen.
39
Als Cynthia nach Hause kam, warf sie sich aufs Bett und weinte, wurde regelrecht von Schluchzern geschüttelt. Sie hatte Damien endgültig verloren. Sie hatte sein Gesicht gesehen, bevor er sich abwandte: ein Mann, der mit einer schweren Entscheidung ringt. Ihre Beziehung war beendet, aus und vorbei, diesmal für immer. Sie fühlte sich, als würde sie bei lebendigem Leib aufgeschlitzt und gehäutet. Sie hatte den einzigen Mann auf der Welt verloren, den sie jemals wirklich geliebt hatte.
Irgendwann verebbte ihr Schluchzen. Sie setzte sich auf, lehnte sich ans Kopfende des Bettes und fuhr sich mit dem regennassen Ärmel übers Gesicht. Schluss jetzt! Sie hatte noch einen Artikel zu schreiben. Danach konnte sie sich immer noch tage- oder wochenlang ihrem Kummer hingeben – wenn es sein musste, sogar monatelang. Aber zuerst
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