Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
wissen, wie sie an dem Abend aussah. Ihre Frisur, was sie anhatte und so.«
»Haben Sie nachgefragt, warum man Sie nach all der Zeit plötzlich wieder vernommen hat?«
»Ja. Sie meinten nur, es hätte sich eine neue Spur ergeben. Mehr hab ich nicht aus ihnen rausbekommen.«
Cynthia nahm ihren Schal ab und legte ihn in ihren Schoß. Das geschah ganz unbewusst, und sie merkte es erst, als Lish die Brauen hochzog.
Cynthia legte etwas verlegen die Hand an den Hals. »Es muss also etwas vorgefallen sein«, sagte sie. »Etwas, das sie dazu bewogen hat, den Fall wiederaufzunehmen.«
Lish nickte. »Sieht ganz so aus. Sie wissen nicht zufällig, was das war? Wo Sie den Fall ja selbst noch mal unter die Lupe nehmen?«
»Nein. Ich habe nichts als … Vermutungen.«
»Die glauben, dass er noch jemanden ermordet hat, nicht wahr?«
Cynthia sah sie überrascht an. »Wie kommen Sie darauf?«
Lish zuckte die Achseln. »Die Polizei hatte vorher kein großes Interesse an dem Fall, aber jetzt ist das plötzlich anders. Das ist die einzige logische Erklärung.« Sie trank ihren Tee aus. »Ich muss dann mal zurück zur Arbeit«, sagte sie.
»Oh ja, natürlich.« Cynthia warf einen Fünfpfundschein auf den Tisch und winkte dem Besitzer, der etwas brummte.
Draußen hatte es aufgehört zu regnen. Die beiden traten auf den Bürgersteig hinaus, und Cynthia wollte sich gerade verabschieden, als ein BMW an ihnen vorbeifuhr und langsamer wurde. Cynthia beobachtete nervös, wie er zurücksetzte und direkt vor ihnen hielt. Das Fenster wurde heruntergelassen.
»Hey, Lish!«, sagte eine Stimme »Bist du frei?«
Lish nickte dem Fahrer zu und sagte eilig zu Cynthia: »Ich muss los. Der Job ruft. In diesem Fall ein Blowjob.« Sie lächelte. »Schön, Sie kennengelernt zu haben.«
»Danke, gleichfalls.« Der BMW hupte ungeduldig, und Cynthia musterte ihn misstrauisch. Die getönten Scheiben gefielen ihr nicht, dahinter konnte alles Mögliche passieren. »Sind Sie sicher, dass der in Ordnung ist?«
»Ja, das ist ein Stammkunde. Einer, der gut zahlt und auch mit Wasser und Seife umgehen kann, also: der ideale Kunde. Ich würde Sie ja bekannt machen, aber er ist ein bisschen scheu.« Sie öffnete die Beifahrertür und stieg ein. Cynthia musste an Mary Davies’ letztes Rendezvous vor ihrem Tod denken: ein Stammkunde.
Bevor die Tür zufiel, rief Cynthia noch: »Lish!«
Der gebleichte Blondschopf beugte sich in den Türspalt. »Ja?«
»Passen Sie auf sich auf.«
»Aber klar doch!«, sagte sie augenzwinkernd. Die Wimperntuschespuren, die ihre Tränen hinterlassen hatten, waren noch gut zu erkennen.
11
Das ist doch Wahnsinn!, sagte sich Cynthia, als das Taxi auf dem Parkplatz hinter Draycott International Life Sciences hielt. Ich werde im Gefängnis landen.
Es war Samstag, ein Uhr morgens, trotzdem stand mindestens ein Dutzend Fahrzeuge auf dem Firmenparkplatz, krumme Schatten in dem schwachen Licht, das durch die geschlossenen Fensterläden des Gebäudes drang. Bevor sie die Taxitür aufmachte, holte sie tief Luft. Zum Umkehren war es jetzt zu spät. Die Luft draußen war eiskalt, und sie knöpfte den Mantel bis obenhin zu, während Damien den Fahrer bezahlte. (Fünfzig Pfund. Verdammt noch mal!) Warum hatte sie sich bloß darauf eingelassen? Wahrscheinlich hatte es damit zu tun, dass sie gerade bei ihrem fünften flambierten Sambuca war, als Damien verkündete, er wolle sie in seine Firma schmuggeln und ihr »was Wichtiges« zeigen. In der belebten Bar hatte sich das nach einem amüsanten Abenteuer angehört, aber hier, in der Dunkelheit des Parkplatzes, schien es ein Riesenfehler. Damien küsste sie flüchtig und nahm ihre Hand. »Also los!«, sagte er und dirigierte sie zu ein paar Metallstufen, die zu einer unauffälligen Tür hinaufführten.
»Schauen die sich nicht die Überwachungsbänder an und sehen, wer reingegangen ist?«, fragte sie in der Hoffnung, er würde es sich anders überlegen. Aber er sagte nur »Nö« und hielt seinen Ausweis vor einen an der Wand angebrachten Sensor. Ein leises Klicken ertönte, und die Tür sprang auf.
Vollkommene Stille umfing sie. Sie standen am Ende eines Flurs, der von grünen Türen gesäumt war. Cynthia folgte Damien tiefer ins Gebäudeinnere hinein.
Der Flur war hell erleuchtet. Ihre Sohlen quietschten schrecklich auf dem Linoleumfußboden. Als der Flur sich gabelte, blieben sie stehen. Damien wies mit dem Kinn nach rechts. »Hier entlang«, flüsterte er.
»Hör mal, Damien, vielleicht
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