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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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auch zu dem, was die wohlhabenden Bewohner in ihren Safes deponiert hatten, doch in dieser ersten Woche hatte sich noch keine Gelegenheit geboten. Er wusste, er musste Geduld haben. Mit Geduld hatte er Erfahrung. Beim Angeln war er geduldig oder wenn er vor einem Haus wartete, in das er einbrechen wollte.
    Doch hier war die Versuchung so groß, dass er am liebsten sofort angefangen hätte.
    Zweihundertachtunddreißig Hotelzimmer – mit anderen Worten, zweihundertachtunddreißig Safes! Und das Hotel florierte, war das ganze Jahr über zu achtzig Prozent belegt.
    Ein Kumpel aus dem Gefängnis hatte ihm erklärt, wie man Hotelsafes bearbeitete. Nicht, wie man in sie einbrach, das wusste er selbst, und er besaß auch die nötige Ausrüstung dafür. Es ging darum, was man daraus stahl, ohne dass es auffiel.
    Es war eigentlich ganz einfach. Man stahl eben nur ein bisschen. Man durfte nicht gierig werden. Wenn jemand zweihundert Pfund in Bargeld oder einer ausländischen Währung deponierte, nahm man eben nur einen Teil davon. Immer Bargeld, niemals Schmuck. Den Schmuck vermissten die Leute, aber sie würden zwanzig von zweihundert Pfund nicht so schnell vermissen. Wenn man das zehnmal am Tag durchzog, verdiente man recht gut. Einen Tausender die Woche. Fünfzig Tausender im Jahr. Super.
    Er hatte beschlossen, dass er diesmal dem Gefängnis fernbleiben wollte. In Freiheit. Sicher, im Gefängnis von Lewes war es gemütlicher als im Obdachlosenheim, doch bald schon hätte er genügend Bargeld, um sich eine eigene Wohnung zu nehmen. Etwas Bescheidenes für den Anfang. Dann würde er sich eine Frau suchen und mit ihr zusammen vielleicht genügend Geld für eine richtige Wohnung sparen. Und eines Tages eine kaufen. Das war sein Traum!
    Doch als er um halb sieben an diesem kalten, trockenen Freitagabend allein die Western Road zum Obdachlosenheim entlangtrottete, die Schultern gebeugt, die Hände in den Jackentaschen, war die Realisierung dieses Traums noch weit entfernt.
    Er kehrte im Norfolk Arms am Norfolk Square ein und trank ein Pint und einen Whisky. Beide schmeckten gut. Das hatte er vermisst, als er gesessen hatte. Die Freiheit, in einem Pub etwas zu trinken. Die einfachen Dinge. Die kleinen Freuden des Lebens. Er bestellte ein zweites Bier, ging damit nach draußen und rauchte eine Zigarette. Ein alter Mann, ebenfalls mit Bier und Pfeife, wollte ihn in ein Gespräch verwickeln, aber Spicer beachtete ihn nicht. Er dachte nach. Er konnte sich nicht auf das Hotel verlassen, er musste sich nach etwas anderem umsehen. Der Alkohol machte ihn mutig, und er dachte: Wieso nicht gleich damit anfangen?
    Im Winter war die Zeit zwischen vier und fünf Uhr nachmittags besonders günstig für Einbrüche. Es war dunkel, aber die Leute arbeiteten noch. Halb sieben war eine schlechte Zeit für Privathäuser. Allerdings war ihm, als er am letzten Sonntag durch seine Nachbarschaft in Hove gelaufen war, ein Ort aufgefallen, der um halb sieben an einem Freitagabend gewiss verlassen war. Ein Ort, der ihn fasziniert hatte.
    Ein Ort, der viele Möglichkeiten bot.
    Er trank sein Glas aus und rauchte die Zigarette zu Ende. Es bestand kein Grund zur Eile, er hatte noch viel Zeit, um ins Obdachlosenheim zu gehen und die Tasche zu holen, in der sich seine Spezialausrüstung befand. Er könnte den Job erledigen und dennoch rechtzeitig zurück sein.
    Sperrstunde, dachte er grinsend. Kein Zweifel, der Alkohol war ihm zu Kopf gestiegen.
    Er musste grinsen.
    »Darf ich mitlachen?«, fragte der alte Mann mit der Pfeife.
    Spicer schüttelte den Kopf. »Lieber nicht.«

88
Jetzt
Freitag, 16. Januar
    Um Viertel vor sieben saß Roy Grace, vollgepumpt mit Adrenalin und Koffein, in einem kleinen Büro im dritten Stock der Polizeiwache in der Stadtmitte. Das Revier in der John Street befand sich in einem riesigen, sechsstöckigen Gebäude am Rande von Kemp Town und war nur wenige hundert Meter von der Edward Street entfernt. Sie gehörte schon zu dem Gebiet, für das Julius Proudfoot den nächsten Angriff des Schuh-Diebs vorausgesagt hatte. Die Lage war ideal für die bevorstehende Operation.
    ACC Rigg hatte an den richtigen Stellen sanften Druck ausgeübt, so dass Grace in der kurzen Zeit seit der Morgenbesprechung ein Team aus zwanzig Beamten in Zivil hatte zusammenstellen können. Er arbeitete daran, bis zum nächsten Tag auf fünfunddreißig zu kommen.
    Zurzeit war ein Überwachungsteam aus acht Beamten zu Fuß und in Autos unterwegs. Weitere zwölf,

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