Du sollst nicht sterben
einer Schlange vor der Rezeption warteten. Sie legte die Fernbedienung weg, nahm einen Laserpointer zur Hand und deutete mit dem roten Punkt auf den Kopf einer Frau, die in der Schlange stand. Sie hatte toupiertes, schulterlanges blondes Haar, trug eine riesige dunkle Brille, die die obere Hälfte des Gesichtes verbarg, und hatte einen Schal um den Hals geschlungen, der Mund und Kinn verdeckte.
»Meiner Ansicht nach ist dies Marsha Morris, wie sie um 15.00 Uhr an Silvester im Metropole Hotel eincheckt. Schauen Sie sich ihre Haare mal genau an.«
Sie betätigte einen anderen Knopf auf der Fernbedienung, und das Bild wechselte zu einer Aufnahme aus der East Street, einem beliebten Geschäftsviertel.
»Ich bin darauf gestoßen, als ich die Aufnahmen von Kameras überprüfte, die sich in der Nähe von Schuhgeschäften befinden. In der Nähe dieser speziellen Kamera gibt es mehrere Geschäfte, darunter Last, LK Bennett, Russell and Bromley und Jones. Jetzt schauen Sie sich die Aufnahme ganz genau an.«
Auf den Bildern war eine elegant gekleidete Frau in den Vierzigern mit offenem blonden Haar zu sehen, die einen langen, dunklen Mantel und hochwertige Stiefel trug. Sie kam selbstsicher auf die Kamera zu und ging an ihr vorbei.
»Dies ist Dee Burchmore, die gestern überfallen wurde«, erklärte Ellen Zoratti. »Die Aufnahme stammt vom vergangenen Samstag, dem 10. Januar. Und jetzt aufgepasst!«
Wenige Augenblicke später kam eine schlanke Frau mit hellem, toupiertem Haar in Sicht, die einen langen kamelhaarfarbenen Mantel trug, dazu einen Schal, eine Schultertasche und glänzende Stiefel. Sie bewegte sich zielstrebig.
Einen Augenblick später stieß sie mit einem entgegenkommenden Mann zusammen und fiel zu Boden. Das Haar flog über den Gehweg – eine Perücke. Ein Fußgänger blieb stehen und verdeckte den Blick auf den entblößten Kopf.
Sekunden später hatte sie – oder besser gesagt er – die Perücke ergriffen und leicht schief wieder auf den Kopf gesetzt. Dann rappelte er sich auf, griff nach der Handtasche und eilte davon, wobei er die Perücke zurechtschob.
Angesichts des Blickwinkels der Kamera und der schlechten Qualität der Bilder war es unmöglich, die Gesichtszüge zu erkennen. Man sah nur, dass sie eher maskulin wirkten.
»Marsha Morris?«, fragte Michael Foreman.
»Man erkennt die Transen am Adamsapfel«, warf Potting ein. »Der verrät sie immer.«
»Norman, ich habe gelesen, dass man ihn chirurgisch entfernen oder zumindest verkleinern lassen kann«, erklärte Bella Moy. »Und ich bin mir auch nicht ganz sicher, weshalb Sie sie als Transe bezeichnen.«
»Die Person trug einen Rollkragenpullover«, sagte Nick Nicholas, ohne auf die beiden zu achten. »Man kann nicht erkennen, ob er oder sie einen Adamsapfel hat.«
»Ist das schon das bearbeitete Bild, Ellen?«, wollte Grace wissen.
»Leider ja, Sir. Etwas Besseres konnte das Labor nicht liefern. Es ist nicht toll, verrät uns aber einiges. Erstens, der Täter stalkt möglicherweise seine Opfer in Frauenkleidung. Zweitens, Mrs Burchmore hat an diesem Tag ein teures Paar Schuhe gekauft. Sehen Sie sich die nächsten Aufnahmen an. Die Qualität ist leider auch schlecht, sie stammt von der Kamera des Schuhgeschäftes.«
Auf dem Bildschirm erschien das Innere eines Schuhgeschäftes.
»Das ist einer der Profile-Läden in der Duke’s Lane«, sagte Ellen.
Eine blonde Frau saß vornübergebeugt auf einem Stuhl und tippte auf einem iPhone oder BlackBerry.
Ellen richtete den roten Punkt auf ihr Gesicht. »Das ist wieder Dee Burchmore, fünf Minuten, nachdem wir sie in der East Street gesehen haben.«
Eine Verkäuferin kam in Sicht, in der Hand ein paar High Heels.
Im Hintergrund sah man, wie eine Frau mit toupiertem Haar, langem Mantel, dunkler Brille und Schal, der die untere Gesichtshälfte verbarg, das Geschäft betrat. Es war dieselbe Person, die gestürzt war.
Ellen richtete den Laserpunkt auf sie.
»Da haben wir ja die gute alte Marsha Morris!«, sagte DC Foreman. »Und sie hat die Perücke wieder richtig auf!«
Sie sahen, wie der Transvestit im Hintergrund hin und her ging, während Dee Burchmore die Schuhe kaufte. Sie plauderte noch mit der Verkäuferin an der Kasse, während die junge Frau etwas in den Computer eingab. Marsha Morris stand in der Nähe und schien sich Schuhe anzusehen, hörte aber offenkundig zu.
Dann verließ Dee Burchmore mit einer Tragetasche den Laden.
Wenige Sekunden später folgte ihr Marsha Morris. Ellen
Weitere Kostenlose Bücher